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Tödliche Täuschung

Tödliche Täuschung

Titel: Tödliche Täuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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fordere die Welt heraus, dich zu deinen eigenen Bedingungen zu akzeptieren. Sei von deiner eigenen Schönheit überzeugt, dann werden andere es ebenfalls sein. Dazu braucht man erheblichen Mut, Mr. Monk, und große Willenskraft.«
    »Das glaube ich Ihnen gern«, pflichtete er ihr bei und wünschte, sie würde endlich auf etwas zu sprechen kommen, das vielleicht etwas mit Rathbones Fall zu tun hatte. »Ein unschätzbarer Rat einer Mutter für ihre Tochter.«
    »Oh, ich bin überzeugt davon, dass sie dem Mädchen diesen Rat mit auf den Weg gegeben hat«, sagte Mrs. Waterson mit einem leichten Achselzucken. »Miss Lambert ist ein reizendes Persönchen und hatte nie die Chance, etwas anderes zu sein. Selbst den winzigsten Einzelheiten wurde allergrößte Aufmerksamkeit gewidmet. Selbstverständlich hat die Natur ihr wunderbar in die Hände gespielt!«
    Das Orchester stimmte wieder einen Walzer an. Konnte er tanzen und dann zu dem Thema zurückkehren? Nein, natürlich nicht. Die Damen Lambert wären in Vergessenheit geraten, und eine Wiederaufnahme ihres Gesprächs hätte etwas Erzwungenes gehabt. Obendrein ging er das Risiko ein, Mrs. Waterson an einen anderen Tanzpartner zu verlieren. Zum Teufel mit Rathbone!
    Der Zeitpunkt für einige weitere wohl überlegte Schmeicheleien war gekommen. Man konnte nicht von einer Frau erwarten, dass sie mehr als eine Stunde bei einer Lobrede auf eine andere Frau verweilte.
    »Angenehme Gesichtszüge sind ja gut und schön«, meinte er beiläufig, »aber ohne Intelligenz werden sie doch bald langweilig. Einer Frau, die über Intelligenz und Ausdruckskraft verfügt, könnte ich den ganzen Abend zuhören, während es mir unmöglich wäre, einen Abend lang nur eine einzige Frau anzusehen, ganz gleich, wie reizvoll ihr Gesicht auch sein mag.«
    »Sie besitzen bemerkenswerte Scharfsicht und großes Einfühlungsvermögen, Mr. Monk«, antwortete sie mit vor Freude geröteten Wangen. »Ich fürchte, es gibt nur sehr wenige Männer, die solche Dinge wirklich zu schätzen wissen.«
    Er hob die Augenbrauen. »Meinen Sie wirklich, Mrs. Waterson? Wie freundlich von Ihnen, das zu sagen. Ich glaube nicht, dass mir irgendjemand schon mal ein derartiges Kompliment gemacht hat.« Den Gedanken, was Hester zu dem Schauspiel, das es hier bot, gesagt hätte, schob er weit von sich.
    Er begann von neuem. »Es muss eine große Versuchung sein, die Macht solcher Schönheit auszuspielen, erst recht, wenn es sich um ein junges Mädchen ohne Erfahrung handelt.« Er durfte nicht vergessen, dass Mrs. Waterson die Fünfunddreißig mit Sicherheit überschritten hatte.
    »Natürlich«, stimmte sie ihm zu.
    Er wartete gespannt auf weitere Einzelheiten und ignorierte die junge Frau, die drei oder vier Schritte von ihm entfernt stand und ihn musterte. Ihre leuchtenden Augen hatten einen herausfordernden Blick; sie langweilte sich offensichtlich mit ihrem überaus korrekten und ziemlich jungen Partner.
    »Vielleicht ist sie der Versuchung nicht erlege n?«, fragte er tugendhaft.
    »Oh, ich fürchte doch«, erwiderte Mrs. Waterson sofort und mit einiger Befriedigung. »Man konnte unmöglich übersehen, dass sie dazu erzogen wurde, der Schönheit allergrößte Wichtigkeit beizumessen, und sie müsste schon eine Heilige sein, um ihre Macht nicht zu erproben. Und diese Macht war natürlich größer, als sie erwartet hatte, so groß, dass sie sie nicht mit Anstand zu lenken wusste.« Sie wartete auf Monks Reaktion. Würde er es ihr ankreiden, wenn sie sich zu kritisch gäbe?
    »Wie überaus verständnisvoll Sie doch sind, Mrs. Waterson«, sagte er und biss sich auf die Zunge. »Aus Ihren Worten klingt das Mitgefühl eines Menschen, der die Dinge aus eigener Anschauung kennt.« Er verzog keine Miene. Ohne die Fähigkeit zur Verstellung konnte man kein erfolgreicher Ermittler sein, und er war fest entschlossen, Erfolg zu haben.
    »Nun…« Sie rang mit sich, ob sie bescheidene Zurückhaltung üben solle oder nicht, und warf dann alle Vorsicht über Bord. Das Orchester spielte gerade eine rhythmische, fröhliche Melodie, und sie hatte mehrere Gläser Champagner getrunken, wo sie sich sonst nur Limonade gönnte. Die Menschen um sie herum waren beschwingt und ausgelassen. Mr. Waterson war ein sehr einnehmender Mann, hatte aber viel zu wenig Phantasie. Er nahm die Dinge für selbstverständlich. »In jüngeren Jahren - das war natürlich vor meiner Heirat - hatte ich selbst ein oder zwei Abenteuer«, gestand sie. »Vielleicht war ich

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