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Tödliche Therapie

Tödliche Therapie

Titel: Tödliche Therapie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretzky
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habe keinen Anlaß zur Klage. Im Gegenteil,
mich überwältigt Bewunderung für seinen Lebensstil und Mitgefühl für seinen
Schmerz.“ Ich wandte mich um und griff nach einem Klappstuhl - nur Sergio hatte
das Recht, bequem zu sitzen - und bemerkte, wie Fabiano eine wütende Geste
machte und Rosa Hemd ihm beruhigend die Hand auf die Schulter legte. Ich zog
den Stuhl bis zum Schreibtisch und setzte mich.
    „Ich möchte mich nur vergewissern, daß er sich
nicht in seinem Schmerz bedauerlicherweise dazu hinreißen ließ, Malcolm
Tregiere den Schädel einzuschlagen.“
    „Malcolm Tregiere? Der Name kommt mir irgendwie bekannt
vor...“ Sergio rollte den Namen wie ein Weinkenner, der sich an einen seltenen
Jahrgang erinnern will.
    „Ein Arzt. Wurde vor ein paar Tagen ermordet. Er
hat sich um Fabianos Freundin und ihr Baby gekümmert, letzten Dienstag, kurz
bevor beide starben.“
    „Ein Arzt! Ah ja, jetzt fällt's mir wieder ein. So
ein schwarzer Pinkel. Jemand ist in seine Wohnung eingebrochen, richtig?“
    „Richtig. Du weißt nicht zufälligerweise, wer es
war, oder?“
    Er schüttelte den Kopf. „Ich nicht, Warshawski. Ich
weiß nichts drüber. Ein schwarzer Arzt - hat sich um seine Angelegenheiten
gekümmert, hatte nichts mit meinen Geschäften zu tun.“
    Das klang endgültig. Ich wandte mich um und sah die
anderen drei an. Tattoo rieb sich die Schwanzfedern auf seinem linken Arm.
Rosa Hemd starrte Löcher in die Luft. Fabiano grinste.
    Ich drehte meinen Stuhl um neunzig Grad, so daß ich
alle vier gleichzeitig im Auge hatte. „Fabiano ist anderer Meinung. Er glaubt,
du weißt 'ne Menge drüber - nicht wahr, Fabiano?“
    Fabiano machte einen Satz nach vorn. „Du verdammtes
Miststück! Ich hab nichts zu ihr gesagt, Sergio - nichts.“
    „Worüber hast du nichts gesagt?“ fragte ich.
    Sergio zuckte die Achseln. „Über nichts,
Warshawski. Du mußt lernen, deine Nase nicht in anderer Leute Angelegenheiten
zu stecken. Vor zehn Jahren hab ich mein Inneres vor dir ausgebreitet. Heute
muß ich das nicht. Ich habe einen richtigen Rechtsanwalt, einen, der mich nicht
wie Dreck behandelt, wenn ich Hilfe brauche, keine Frau, die selbst Geld
verdienen muß, weil sie keinen Mann findet.“
    Einen Augenblick lang war ich verunsichert, nicht
wegen des Mannes, sondern wegen des Drecks. Hatte ich meine Klienten wirklich
wie Dreck behandelt? Oder nur Sergio, der einen alten Mann zusammengeschlagen
hatte und dann jammerte, daß ich mit ihm darüber reden wollte, anstatt mit ihm
zu flirten. Ich war geistesabwesend und bemerkte Tattoo erst kurz, bevor er
zuschlug. Ich rollte vom Stuhl, umklammerte seine Beine, zog sie nach vorn und
ließ ihn krachend gegen den Schreibtisch fallen. Als ich aufsprang, stürzte
sich Rosa Hemd auf mich und versuchte, meine Arme festzuhalten. Ich trat ihn
hart gegen das Schienbein. Er stöhnte auf, kippte nach hinten und versuchte,
mich mit der Faust zu treffen. Ich wehrte den Schlag mit dem Arm ab und stieß
ihm mein Knie in den Bauch. Tattoo war jetzt hinter mir, faßte mich an den
Schultern. Ich entspannte mich, drehte mich zur Seite und stieß ihm den Ellbogen
in die Rippen. Er lockerte seinen Griff so weit, daß ich mich befreien konnte,
aber mittlerweile nahm auch Sergio an der Prügelei teil. Er schrie Rosa Hemd
irgendwas zu, und der ergriff mein linkes Handgelenk, Sergio packte mich von
hinten um die Taille, ich stürzte mit dem Gesicht nach unten ziemlich unelegant
zu Boden, und er landete auf mir. Fabiano, der bislang nicht eingegriffen
hatte, gab mir einen Tritt gegen den Kopf. Es war nur eine Geste; er konnte
nicht wirklich zutreten, ohne Sergio zu treffen. Sergio band mir die Hände auf
den Rücken und stand auf. „Dreh sie um.“
    Ich warf aus der Nähe einen Blick auf die
Tätowierungen und sah dann hinauf auf Sergios hinreißendes Lächeln.
    „Du hast geglaubt, du hättest damals vor Gericht
ein gutes Werk vollbracht, weil du das Urteil von zehn auf zwei Jahre gedrückt
hast. Aber du hast nie gesessen, Warshawski. Wüßtest du, wie es ist, hättest
du dich ein bißchen mehr angestrengt. Jetzt wirst du sehen, wie es ist,
gequält zu werden, wie es ist, wenn jemand, den du haßt, dir sagt, was du zu
tun hast.“
    Mein Herz schlug so schnell, daß ich dachte, ich
würde ersticken. Ich schloß die Augen, zählte bis zehn und versuchte dann, so
ruhig wie möglich zu sprechen. „Erinnerst du dich an Bobby Mallory, Sergio? Ich
habe ihm diese Adresse und deinen Namen zukommen lassen.

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