Tödliche Therapie
durch den Wolf
gedreht. Die wirren Ereignisse des Tages schwirrten mir im Kopf herum. Monkfish. Dicks Honorar. Die IckPiff-Akten. Wo war Malcolms Band? Wo war Consuelos
Akte? Das Baby hatte sie. Es saß auf einem hohen Felsen über dem Michigansee
und hielt eine Mappe in den winzigen rosa Fingern. Ich versuchte, über eine
Düne zu klettern, um zu ihm zu gelangen, aber meine Füße glitten auf dem heißen
Sand ab, und ich rutschte wieder und wieder hinunter. Schwitzend und durstig
kam ich auf die Beine. Ich sah Peter Burgoyne hinter dem Baby auftauchen. Er
wollte ihm die Mappe wegnehmen, aber es gelang ihm nicht. Dann ließ er die
Mappe los und begann das Baby zu würgen. Es schrie nicht, aber sah mich mit
einem herzzerreißenden Blick an.
Schweißgebadet und hustend wachte ich auf und wußte
nicht, wo ich war. Panik ergriff mich, bis ich mich an die Ereignisse des
Vortags erinnerte. Ich war bei Lotty. Ich suchte in den Kleidern auf dem Boden
nach meiner Armbanduhr. Es war halb acht. Ich versuchte, mich zu entspannen und
noch einmal einzuschlafen. Als es mir nicht gelang, stand ich auf und duschte
lange. Dann öffnete ich die Tür zu Lottys Zimmer einen Spalt. Sie schlief noch,
mit zusammengezogenen Augenbrauen. Leise schloß ich die Tür wieder und ging.
Sobald ich begann, die Treppen zu meiner Wohnung
hinaufzusteigen, wußte ich, daß etwas nicht stimmte. Auf der Treppe lagen
Zeitungen verstreut, und im zweiten Stock sah ich einen Fleck, der wie
getrocknetes Blut aussah. Ohne zu überlegen, zog ich den Revolver aus dem
Gürtel und stürmte in den dritten Stock hinauf. Mr. Contreras lag vor meiner
Wohnungstür. Die Tür selbst war mit einer Axt traktiert worden. Ich sah mich
kurz um, um mich zu vergewissern, daß niemand in der Wohnung war, und kniete
dann neben dem alten Mann nieder. Er hatte eine stark blutende Kopfwunde, das
Blut war bereits getrocknet. Er atmete in kurzen, röchelnden Zügen, aber er
lebte. Ich kroch durch das Loch in der Tür, rief den Notarzt und die Polizei,
holte ein Leintuch aus dem Schlafzimmer, um ihn damit zuzudecken. Während ich
wartete, tastete ich ihn vorsichtig ab. Die Kopfwunde schien seine einzige
Verletzung zu sein. Eine Rohrzange lag einen halben Meter von seinem gekrümmten
Körper entfernt.
Als erstes kam der Krankenwagen - ein junger Mann
und eine ältere Frau, beide kräftig und wortkarg; sie legten Mr. Contreras auf
eine Bahre und trugen ihn die Treppe hinunter. Ich sagte ihnen, was ich wußte,
und hielt die Tür auf. Das ganze dauerte keine Minute. Sie brachten ihn ins
Beth Israel. Ein paar Minuten später hielt quietschend ein Polizeiwagen vor dem
Haus. Drei uniformierte Männer stiegen aus, einer blieb sitzen. Ich trat vors
Haus, um sie zu begrüßen. „Ich bin V. I. Warshawski. In meine Wohnung wurde
eingebrochen.“
Einer von den dreien, ein alter schwarzer Mann mit
Bierbauch, notierte gewissenhaft meinen Namen, während sie hinter mir die
Treppe hinaufstiegen. Sie stellten die üblichen Fragen: Zu welcher Uhrzeit ich
nach Hause gekommen war, wo ich die Nacht verbracht hatte, ob etwas fehlte.
„Ich weiß nicht. Ich bin gerade erst gekommen. Mein
Nachbar lag bewußtlos vor der Wohnungstür - ich war mehr besorgt um ihn als um
meine Habseligkeiten.“ Meine Stimme zitterte. Wut, Schock, der Tropfen, der das
Faß zum Überlaufen brachte. Ich wurde mit diesem Einbruch und mit Mr. Contreras
Verletzung nicht fertig.
Der Jüngste der drei wollte mehr über Mr. Contreras
in Erfahrung bringen. „Ihr Freund?“
„Gebrauchen Sie Ihren Verstand“, fuhr ich ihn an.
„Er ist über siebzig. Ein pensionierter Maschinenschlosser, der glaubt, noch
immer der harte Typ zu sein, der er vor vierzig Jahren war, und er hat sich
selbst zu meinem Pflegevater ernannt. Er wohnt im Erdgeschoß, und jedesmal,
wenn ich komme oder gehe, steckt er den Kopf zur Tür heraus, um sich zu
vergewissern, daß ich okay bin. Wer auch immer hier eingebrochen hat, er muß
ihm gefolgt sein und ihn mit der Rohrzange bedroht haben. Dieser verdammte
alte Narr.“ Zu meinem Entsetzen merkte ich, wie mir Tränen in die Augen
traten. Ich atmete tief durch und wartete auf die nächste Frage.
„Hat er jemand erwartet?“
„Vor ein paar Wochen hatte ich eine unangenehme
Begegnung mit Sergio Rodriguez von den Löwen - Detective Rawlings weiß darüber
Bescheid. Mr. Contreras meinte, er müsse ein Auge drauf haben, ob sie mir nicht
nachts einen Besuch abstatten wollten. Ich sagte ihm, wenn jemand käme,
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