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Tödliche Therapie

Tödliche Therapie

Titel: Tödliche Therapie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretzky
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ebenfalls
arthritischen Hund aus. Niemand kümmerte sich um uns, als wir das Gebäude
betraten und die drei Stockwerke hinaufstiegen.
    „Ich werde was wegen der Wohnung unternehmen
müssen“, sagte Lotty, während sie in ihrer Tasche nach den Schlüsseln kramte.
„Der Mietvertrag läuft noch einen Monat. Danach werde ich sie vermutlich räumen
müssen. Ich weiß nicht, warum er mich zu seinem Testamentsvollstrecker bestimmt
hat, in solchen Dingen hab ich nicht viel Erfahrung.“
    „Überlaß es Tessa“, schlug ich ihr vor. „Sie soll
selbst entscheiden, was sie behalten will, und den Rest verkaufen. Oder die
Tür offen lassen. Die Sachen werden sich schnell genug in Luft auflösen.“
    Über dem entsetzlichen Ende von Malcolms Leben hing
jetzt der schale Geruch unbewohnter Räume. Auf seltsame Art und Weise machten
dieser Geruch und die Schichten von Staub das Chaos erträglicher. Dies hier war
nicht länger eine Wohnung, in der eine wirkliche Person lebte. Es war nur noch
ein Wrack, etwas, was man auf dem Grunde eines Sees finden konnte.
    Lotty, die normalerweise energiegeladen ans Werk
geht, blieb reglos in der Tür stehen, während ich die Wohnung durchsuchte. Sie
hatte zu viele Schocks erlitten - Consuelos Tod, Malcolms Tod, die
Ausschreitungen in ihrer Praxis und jetzt die drohende Anzeige. Wenn es nicht
sehr weit hergeholt erscheinen würde, könnte man fast vermuten, daß hinter all
diesen Vorkommnissen jemand steckte, der mit Lotty eine Rechnung zu begleichen
hatte - jemand wie Dieter Monkfish, der, wahnsinnig wie er war, sie an ihren
wunden Punkten traf, um sie zum Aufgeben zu zwingen. Ich hielt einen Augenblick
inne, um darüber nachzudenken. In diesem Fall hätten sich Fabiano und Monkfish
absprechen müssen, was kaum vorstellbar war. Und Monkfish hätte Malcolms
Mörder anheuern müssen, was absurd war. Ich beendete meine Suche.
    „Es ist nicht hier, Lotty. Entweder ist es bei
irgendeinem Hehler in der Clark Street oder noch in Malcolms Auto. Hast du die
Schlüssel?“
    „Natürlich. Mein Hirn funktioniert dieser Tage
nicht so recht. Dort hätten wir zuerst nachsehen sollen - er hat immer im Auto
diktiert, wenn er im Krankenhaus nicht damit fertig geworden ist.“
    Auch unser reformfreudiger Bürgermeister ist nicht
sehr an dieser Gegend interessiert. Da nur wenige Straßenlampen brannten,
mußten wir langsam gehen und uns aneinander festhalten. Der arthritische Mann
mit seinem Hund war nach Hause gegangen, und die Betrunkenen schliefen bis auf
zwei, die unter einer Lampe am Ende des Blocks miteinander stritten. Malcolms
verbeulter, rostiger Wagen war in ihrer Nähe geparkt. So wie er aussah, paßte
er gut in die Umgebung, und niemand hatte sich um ihn gekümmert - er stand noch
auf seinen Reifen, die Fenster waren nicht eingeschlagen, die Türen nicht
aufgebrochen. Ich schloß die Fahrertür auf. Die Lämpchen innen funktionierten
nicht. Ich knipste die Taschenlampe an meinem Schlüsselbund an, fand nichts auf
den Sitzen oder im Handschuhfach, tastete den Boden unter den Sitzen ab. Meine
Finger schlossen sich um ein kleines Lederetui, und ich zog Malcolms
Diktiergerät hervor. Wir gingen zurück zu meinem Auto. Lotty nahm mir das
Gerät ab und klappte es auf.
    „Es ist leer“, sagte sie. „Das Band muß irgendwo
anders sein.“
    „Oder es war in seiner Wohnung, und sie haben es
gestohlen - sie haben alle seine Kassetten mitgenommen.“
    Wir waren beide zu erschöpft, um zu sprechen. Während
ich Lotty nach Hause fuhr, saß sie zusammengesunken in der Ecke. Ich hatte sie
in all den Jahren, die wir uns kannten, in vielen Stimmungen gesehen, aber nie
so niedergeschlagen und lethargisch, daß sie nicht mehr denken oder handeln
konnte. Es war fast vier, als wir bei ihr ankamen. Ich half ihr die Treppe
hinauf, machte oben Milch heiß und goß einen großen Schluck Brandy hinein, den
einzigen Alkohol, den ich in der Wohnung fand. Es sprach für ihre
Niedergeschlagenheit, daß sie ihn widerspruchslos trank.
    „Ich ruf die Praxis an“, sagte ich, „und
hinterlasse, daß du morgen später kommst. Mehr als alles andere brauchst du
jetzt Schlaf.“
    Sie sah mich ausdruckslos an.
    „Ja. Ja, wahrscheinlich hast du recht. Du solltest
auch schlafen gehen, Vic. Es tut mir leid, daß ich dich die ganze Nacht
aufgehalten habe. Schlaf im Gästezimmer, wenn du willst. Ich stell das Telefon
leise.“
    Ich kroch unter das dünne, nach Lavendel duftende
Laken. Meine Glieder schmerzten, und ich fühlte mich wie

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