Toedliche Traeume
»Ich will nicht, dass du Ärger kriegst. Ich bin längst nicht so zäh wie meine Mom.«
»Ich glaube, das bist du sehr wohl.« Sie schaute zu, wie er sich an den Monitor anschloss, dann deckte sie ihn zu. »Und ich bin stolz darauf, dich zum Freund zu haben, Michael«, flüsterte sie. »Danke …«
Sophie hatte gerade ihr Gespräch mit Michael beendet, als Royd an ihre Zimmertür klopfte.
Sie steckte das Handy in ihre Hosentasche und öffnete die Tür. »Michael geht es gut. Er schläft. Es tut mir leid, dass ich ihn geweckt habe, andererseits ist es ein gutes Zeichen, dass er schon geschlafen hat. Und MacDuff hält sich immer noch im Schloss auf. Er sagt, er hat Gorshank noch nicht ausfindig gemacht.«
»Dann sitzt er wahrscheinlich auf heißen Kohlen«, sagte Royd. »Er kann es kaum erwarten, sich endlich auf den Weg zu machen. Haben Sie Hunger?«
Sie nickte. »Heißhunger. Haben Sie das kubanische Restaurant gefunden?«
»Nein, ich hab’s mir anders überlegt.« Er deutete auf den Plastikbeutel, den er in der Hand hielt. »Ich bin stattdessen zu einem kleinen Lebensmittelladen gefahren. Ich dachte, wir könnten unser Abendessen am Strand einnehmen, da ist es friedlich, und wir könnten uns ein bisschen entspannen. Außerdem brauche ich frische Luft.«
Ja, frische Luft wäre nicht schlecht. Seit Royd in ihr Leben getreten war, lief sie ständig auf Hochtouren, und etwas Frieden und Entspannung konnte sie weiß Gott gebrauchen. »Einverstanden, gehen wir.« Sie ging an ihm vorbei in Richtung Treppe. »Aber es wundert mich, dass Sie sich nach Frieden und Entspannung sehnen. Sie wirken nicht gerade …« Sie blieb stehen und suchte nach den richtigen Worten. »Sie sind wie elektrisch geladen. Ich hab das Gefühl, ich könnte einen Schlag abbekommen, wenn ich Sie aus Versehen berühre.«
»Als Sie die Nacht bei mir im Bett verbrachten, haben Sie keinen lebensbedrohlichen Stromschlag abbekommen.«
»Nein.« Sie vermied es, ihn anzusehen. »In der Nacht waren Sie sehr nett zu mir.«
»Ich bin nicht nett.« Er hielt ihr die Haustür auf. »Fast alles, was ich tue, tue ich aus egoistischen Motiven. Hin und wieder vergesse ich das schon mal, aber verlassen Sie sich lieber nicht darauf.«
»Das würde ich nie tun. Ich habe gelernt, mich niemals auf irgendjemanden zu verlassen.« Sie hatten den Sandstrand erreicht, und sie zog ihre Schuhe aus. »Aber Ihnen würde ich mehr vertrauen als den meisten Menschen.«
»Ach? Wie kommt’s?«
»Weil ich Ihre Motivation kenne.« Die Sonne ging schon unter, aber der Sand unter ihren Füßen fühlte sich warm an. Der Wind blies ihr die Haare aus dem Gesicht, und ganz plötzlich fühlte sie sich leicht und frei … Sie hob den Kopf und atmete die salzige Luft ein. »Das war eine gute Idee, Royd.«
»Ich habe ab und zu gute Ideen.« Er zeigte auf ein paar Felsbrocken in der Nähe des Wassers. »Dort?«
Sie nickte. »Egal, wo. Ich sterbe vor Hunger.«
Er grinste. »Das ist das erste Mal, dass Sie ein so extremes Begehren zugeben. Sonst scheinen Sie nur zu essen, um zu überleben.« Er musterte sie von oben bis unten. »Und das sieht man. Sie sind zu dünn.«
»Ich bin gesund und kräftig.«
»Sie sehen aus, als könnte ich Sie umknicken wie einen Strohhalm.«
»Das täuscht.« Sie blieb bei den Felsen stehen. »Sie könnten mich nicht zerbrechen, Royd.«
»Doch, könnte ich.« Er setzte sich in den Sand und öffnete den Beutel mit den Lebensmitteln. »Ich bin gut darin, Dinge … und Menschen zu zerbrechen.« Er sah zu ihr hoch. »Aber ich würde es niemals tun. Es würde mir selbst zu weh tun.«
Ihr blieb die Luft weg, und sie spürte ihr Blut in den Schläfen und in den Handgelenken pulsieren. Sie brachte es nicht fertig, den Blick von ihm abzuwenden.
Schließlich wandte er sich ab. »Setzen Sie sich und essen Sie was. Vollkornsandwich mit Salami, Dillgurken, Kartoffelchips. Es gab keinen Wein, deswegen müssen Sie sich mit Cola begnügen.«
»Kein Problem.« Langsam setzte sie sich ihm gegenüber in den Sand. In Wirklichkeit hatte sie ein ziemlich großes Problem. Sie fühlte sich schwach und ein bisschen benommen. Gott, so hatte sie sich seit ihrer Teenagerzeit nicht mehr gefühlt. »Ich mag Salami.« Vorsichtig nahm sie das Sandwich entgegen, das er ihr reichte. Sie durfte ihn auf keinen Fall berühren, das wäre ein großer Fehler. Verflixt, ihn anzustarren war auch ein Fehler, denn das führte nur dazu, dass sie am liebsten sein Gesicht mit den
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