Toedliche Traeume
ziemlich erbärmlich, andererseits gefällt es mir, Sie so verzweifelt zu erleben. Es gibt mir ein berauschendes Gefühl der Macht. Wissen Sie, ich habe mir schon immer gewünscht, mit Ihnen Herr und Sklavin zu spielen. Damals in Amsterdam waren Sie so voller Begeisterung und Selbstvertrauen, dass Sie sich weder für mich noch für meine Meinung interessiert haben. Sie wussten, dass Sie richtig lagen, und mit mir haben Sie sich nur aus Höflichkeit abgegeben. Das hat mich sehr irritiert.«
»Haben Sie etwa deswegen meine Eltern aufs Korn genommen?«
»Zum Teil. Ich fand, Sie brauchten mal einen ordentlichen Denkzettel.«
Wut und Trauer überkamen sie. »Meine Eltern waren vollkommen unschuldig. Sie hatten es nicht verdient zu sterben.«
»Es ist nun mal geschehen. Vergessen Sie den Vorfall einfach, und konzentrieren Sie sich lieber auf Ihre Aufgabe.«
Einfach vergessen? Es war unfassbar, dass er annehmen konnte, sie wäre in der Lage, jenen Nachmittag auf dem Pier zu vergessen, der ihr Leben erschüttert hatte. Aber offensichtlich fand Sanborne nichts merkwürdig daran. »Ja, es ist geschehen.« Sie wandte sich ab. »Und ich versichere Ihnen, dass ich mich vollkommen auf meine Aufgabe konzentrieren werde.«
»Gut so.« Er öffnete die Tür zu der Aufbereitungsanlage. »Die Fässer stehen ganz hinten.« Mit einer Kopfbewegung wies er auf eine Stelle hinter den riesigen technischen Geräten. »Ich muss jetzt gehen. Sagen Sie dem Wachmann Bescheid, wenn Sie so weit sind, dass Sie im Labor weiterarbeiten können.« Er wandte sich zum Gehen und sagte über die Schulter hinweg: »Wie Ihnen sicherlich aufgefallen ist, wird diese Anlage strengstens überwacht. Ohne meine ausdrückliche Erlaubnis kommt niemand in die Nähe des Gebäudes oder aus ihm heraus. Falls die Liebe zu Ihrem Sohn Sie nicht davon abhält, Dummheiten zu machen, denken Sie wenigstens an sich selbst. Sie sind zu jung zum Sterben.«
Sie blickte Sanborne nach, als er das Gebäude verließ. Was für ein arrogantes Arschloch. Royd war nicht nur in die Nähe des Gebäudes gelangt, er hatte es sogar geschafft, den Sender für sie vor dem Tor zu vergraben. Der Gedanke erfüllte sie mit Genugtuung. Zum ersten Mal seit ihrer Ankunft auf San Torrano empfand sie eine Mischung aus Hoffnung und Entschlossenheit. Royd hatte Sanbornes Verteidigungslinien durchbrochen. Er hatte Kontakt mit ihr aufgenommen. Sie würden es schaffen!
»Sie trägt den Sender.« Kelly blickte von seinem Bildschirm auf, als Royd die Hütte betrat. »Sie hat ihn vor zehn Minuten gefunden.« Er grinste. »Direkt vor Sanbornes Augen. Absolut cool. Kluges Mädchen.«
»Ist sie in der Anlage?«
»Ja, sie überprüft gerade die Fässer. Sanborne ist nicht bei ihr. Aber sie hat noch nicht versucht, Kontakt mit uns aufzunehmen.«
»Wahrscheinlich wird sie streng überwacht. Wie Sie schon sagten: Sie ist ein kluges Mädchen.« Royd ließ sich auf den Stuhl neben dem Schreibtisch fallen. »Sie wird mit uns reden, sobald sie sich sicher ist, dass es ungefährlich ist.«
»Haben Sie schon von Jock und MacDuff gehört?«
»Sie sind unterwegs hierher und müssten in wenigen Stunden eintreffen.«
»Royd.«
Er zuckte zusammen, als er Sophies Stimme aus dem Lautsprecher hörte.
»Ich komme mir vor, als würde ich Selbstgespräche führen. Ich kann nur hoffen, dass ihr mich hört.« Sie ließ einen Augenblick verstreichen. »Ich habe mich hier gründlich umgesehen. Es gibt keine Kameras, und ich glaube, es gibt auch keine Mikros. Gorshank hat ausschließlich im Labor gearbeitet, es gab also keinen Grund, ihn hier zu überwachen. Ich fasse mich kurz, für den Fall, dass einer der Wachmänner reinkommt und mich dabei erwischt, wie ich mit mir selber rede. Die Unterlagen über REM-4 liegen in einem Safe in der Bibliothek in Sanbornes Haus. Ich werde versuchen, sie zu vernichten. Ich hoffe, es ist dir gelungen, die Sprengladungen anzubringen. Wenn nicht, könntest du versuchen, an die Fässer auf der Constanza ranzukommen. Die Hälfte der Fässer befindet sich immer noch auf dem Schiff. Ich werde versuchen, Sanborne dazu zu bringen, dass er sie auf die Insel schafft. Ich werde eine Pistole brauchen. Versteck sie in einem der Fässer, wenn das geht.« Sie holte tief Luft. »Möglicherweise können wir nicht bis übermorgen warten. Boch drängt darauf, den Inhalt der Fässer einfach ins Trinkwassersystem zu kippen und die Konsequenzen in Kauf zu nehmen. Nur Sanborne zögert noch. Aber ihm geht es
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