Tödliche Unschuld
Lieutenant.« Seine ruhige Stimme wirkte wie ein Kübel Eiswasser im Vergleich zu ihrem hitzigen Ton. »Macht und Autorität verlangen nun mal hin und wieder nach einem Kompromiss. Hegen Sie Zweifel daran, dass er damit zurechtkommt? Oder hegen Sie Zweifel daran, dass er sich für Halloway verwenden wird?«
»Nein, Sir, das bezweifle ich ganz sicher nicht.«
»Ihnen gefällt nicht, dass er als Symbol verwendet wird.« Whitney trat durch den Eingang des Reviers. »Aber das ist er nun einmal. Genau wie Sie selber eines sind.«
In der großen Eingangshalle des Reviers mit den unzähligen Computern und beweglichen Karten blickte er sich um. Betrachtete die Polizisten, die Opfer und die Täter, die man hier rund um die Uhr sah.
»Und genau wie das hier eines ist«, fügte er hinzu. »Dieses Gebäude steht für Recht und Ordnung. Sie werden hier zur Schau gestellt. Und unser Recht und unsere Ordnung werden, simpel ausgedrückt, von einer Gruppe Terroristen auf die Probe gestellt. Es geht also um mehr als um den Abschluss eines Falles. Es geht um den Sieg von unserem Recht und unserer Ordnung über Anarchie. Finden Sie die Fäden. Und wenn Sie den Vater eines toten Teenagers festnehmen, sorgen Sie dafür, dass keiner dieser Fäden nach der Verhaftung reißt.«
Sie beschloss, erst einmal andere Fäden miteinander zu verknüpfen, indem sie sich die Zeit nahm und einen offiziellen Bericht über ihre morgendlichen Aktivitäten schrieb. Als sie jedoch ihr Büro betrat, entdeckte sie Don Webster, der hinter ihrem Schreibtisch saß.
»Wenn ich öfter einen von euch Schnüfflern in meinem Sessel sitzen sehe, brauche ich bald einen neuen.«
»Machen Sie die Tür zu, Dallas.«
»Ich muss einen Bericht verfassen, und dann muss ich wieder los.«
Er stand auf und drückte selbst die Tür ins Schloss. »Es wird nicht lange dauern. Ich werde das Gespräch aufnehmen müssen.«
»Was für ein Gespräch, und weshalb müssen Sie es aufnehmen?«
»Es geht um Ihren Zugriff auf Informationen aus versiegelten Akten. Überlegen Sie erst«, bat er, ehe sie den Mund aufmachen konnte. »Denken Sie erst nach, bevor Sie etwas sagen.«
»Nicht nötig. Schalten Sie den Rekorder an, und bringen wir es hinter uns. Ich muss nämlich noch ein paar lästige, kleine Mordfälle aufklären, während Sie Ihre blödsinnige Arbeit tun.«
»Was ich hier tue, entspricht der vorgeschriebenen Verfahrensweise, das wissen Sie genau. Sie mussten sich doch denken, dass man Sie zu den Vorgängen befragen wird.«
»Ehrlich gesagt, habe ich das nicht.« Wofür sie sich noch in den Hintern treten würde, dachte sie erbost. »Mir gingen heute nämlich ein paar andere Sachen durch den Kopf.«
»Setzen Sie sich.«
»Dazu bin ich nicht verpflichtet.«
»Okay, meinetwegen.« Er stellte den Rekorder an. »Lieutenant Donald Webster von der Dienstaufsichtsbehörde vernimmt Lieutenant Eve Dallas von der Mordkommission des Hauptreviers in der Sache Donald und Sylvia Dukes sowie ihres verstorbenen minderjährigen Sohnes Devin. Lieutenant Dallas, möchten Sie einen Rechtsbeistand zu diesem Gespräch hinzuziehen?«
»Nein.«
»Haben Sie in Ihrer Funktion als Polizistin heute Morgen gegen neun das Heim von Donald und Sylvia Dukes in« - er las die Adresse aus seinen Akten vor - »besucht?«
»Ja.«
»Haben Sie bei diesem Besuch die genannten Personen zu Vorfällen befragt, in die ihr verstorbener minderjähriger Sohn Devin Dukes verwickelt war?«
»Ja.«
Er zog die Brauen hoch, ob jedoch aus Ärger oder Anerkennung wegen ihrer einsilbigen Antworten, war ihr nicht ganz klar.
»Waren Sie sich bewusst, dass die Akten zu den Vorfällen, zu denen Sie die Dukes befragt haben, versiegelt sind?«
Sie zuckte nicht mal mit der Wimper. »Darüber hat mich Mr Dukes heute Morgen informiert.«
»Und vorher war Ihnen nicht bekannt, dass die Akten versiegelt waren?«
»Ich hatte es angenommen.«
»Weshalb?«
»Bei der Suche nach ermittlungsrelevanten Informationen wurde mir die Einsicht in die Akten verwehrt.«
Webster sah sie ausdruckslos an. »Woher hatten Sie dann die Informationen über Devin Dukes?«
»Aus einer externen Quelle.«
»Was war das für eine Quelle?«
»Nach Artikel zwölf, Absatz sechsundachtzig B, bin ich nicht verpflichtet, meine Quelle zu enthüllen.«
Seine Stimme blieb ruhig. »Sie weigern sich also, Ihre Quelle zu benennen?«
»Ja. Wenn ich sie nennen würde, würde dadurch nicht nur meine Quelle, sondern zudem meine Ermittlungsarbeit
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