Tödliche Versuchung
Ich ging auf Zehenspitzen zu Munsons Hintereingang und drückte mich an die Hauswand neben der Tür; so konnte mich Munson von innen nicht sehen. Ich schüttelte meine Spraydose, damit sie auch funktionstüchtig war und wartete gespannt darauf, dass Lula vorne an die Haustür klopfte.
Das Klopfen erfolgte nach wenigen Minuten. Man hörte eine gedämpfte Unterhaltung, dann war ein Rumoren am Hintereingang zu vernehmen, und der Riegel wurde zur Seite geschoben. Die Tür öffnete sich, und Morris Munson trat heraus.
»Stehen bleiben«, sagte ich und trat die Tür mit dem Fuß zu. »Rühren Sie sich nicht vom Fleck. Machen Sie keine Dummheiten, sonst gibt’s ‘ne Ladung Reizgas in die Fresse.«
»Sie schon wieder! Sie haben mich reingelegt!«
Ich hielt die Spraydose in der linken, die Pistole in der rechten Hand. »Umdrehen!«, sagte ich. »Nehmen Sie die Hände hoch und stützen Sie sich damit an der Wand ab.«
»Ich hasse Sie«, kreischte er. »Sie sind genau wie meine geschiedene Frau. Hinterlistiges, herrisches, verlogenes Luder. Sie sehen ihr sogar ähnlich, Sie mit Ihren bescheuerten braunen Löckchen.«
»Bescheuerte Löckchen? Ich muss doch sehr bitten.«
»Ich hatte ein sorgenfreies Leben, bis mir dieses Luder alles vermasselt hat. Ich besaß ein großes Haus und ein schönes Auto, sogar eine richtige Stereoanlage, Dolbysound.«
»Was ist passiert?«
»Sie hat mich verlassen. Sie meinte, ich wäre ihr zu langweilig. Morris, der alte Langweiler, hat sie immer gesagt. Eines Tages hat sie sich einen Anwalt genommen, ist mit einem LKW rückwärts bis an die Verandatür herangefahren und hat mich ausgeraubt. Hat jedes Möbelstück, das gesamte Porzellan, jeden noch so kleinen Teelöffel mitgenommen.« Er deutete auf das Haus. »Das hat sie mir übrig gelassen. Ein beschissenes Reihenhaus und einen alten Crown Victoria, den ich noch zwei Jahre abbezahlen muss. Nach fünfzehn Jahren Arbeit in der Knopffabrik, wo ich mir den Rücken krumm geschuftet habe, Sitze ich in diesem Rattennest und muss mich von Cornflakes ernähren.«
»Meine Güte.«
»Einen Moment«, sagte er. »Ich will wenigstens die Tür abschließen. Ist ja nicht viel wert, das Haus, aber es ist mein ganzer Besitz.«
»In Ordnung. Machen Sie nur keine abrupten Bewegungen.« Er kehrte mir den Rücken zu, verschloss die Tür, wirbelte herum und rempelte mich an. »Hoppla«, sagte er. »Entschuldigung. Ich habe das Gleichgewicht verloren.«
Ich wich zurück. »Was haben Sie da in Ihrer Hand?«
»Ein Feuerzeug. So was werden Sie doch schon mal gesehen haben, oder nicht? Sie wissen, wie so was funktioniert.« Er machte das Feuerzeug an, und eine Stichflamme schoss hervor.
»Werfen Sie das Ding weg!«
Er wedelte damit herum. »Schauen Sie mal, wie hübsch das brennt. So ein schönes Feuerzeug! Wissen Sie, was das für ein Feuerzeug ist? Wetten, dass Sie nicht daraufkommen?«
»Ich habe gesagt, Sie sollen es wegwerfen!«
Er hielt es mir vors Gesicht. »Sie werden brennen. Das können Sie jetzt nicht mehr verhindern.«
»Was reden Sie da? He!« Ich trug Jeans, ein weißes T-Shirt, das in die Hose gesteckt war, und über dem Shirt ein grünschwarzes Baumwollhemd, das wie ein Jackett geschnitten war. Ich schaute an mir hinunter und sah, dass der Hemdzipfel brannte.
»Sie sollen schmoren!«, schrie er mich an. »Schmoren sollen Sie in der Hölle!«
Ich ließ die Handschellen und das Spray fallen, riss mir das Hemd vom Leib, warf es zu Boden und trat die Flammen aus. Als ich fertig war, schaute ich mich um, Munson war abgehauen. Ich drehte am Türknauf des Hintereingangs. Abgeschlossen. Ich hörte einen Motor aufheulen, drehte mich um und sah den Crown Victoria auf der kleinen Zufahrtsstraße hinterm Haus davonrasen.
Ich hob mein Hemd vom Boden auf und zog es wieder an. Die untere rechte Hälfte fehlte.
Lula lehnte an ihrem Auto, als ich um die Ecke kam und auf sie zu ging.
»Wo ist Munson?«, fragte sie.
»Weg.«
Sie sah mein Hemd an und runzelte die Stirn. »Ich hätte schwören können, dass es heute Morgen noch heile war.«
»Deinen Kommentar kannst du dir sparen.«
»Sieht irgendwie angekokelt aus. Erst dein Auto, jetzt dein Hemd. Willst du einen neuen Rekord aufstellen?«
»Ich bin nicht auf diesen Scheiß angewiesen, musst du wissen«, sagte ich zu Lula. »Es gibt genug andere gute Jobs.«
»Zum Beispiel?«
»Das McDonalds in der Market Street sucht Leute.«
»Dafür kriegt man Pommes umsonst, habe ich gehört.«
Ich
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