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Tödliche Versuchung

Tödliche Versuchung

Titel: Tödliche Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janet Evanovich
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»Ich wollte meine Katze herunterlocken. Sie sitzt seit heute Nachmittag da oben.«
    Er schaute hoch zu dem Baum. »Ist Ihre Katze noch da?« Klang so, als würde er kein Wort glauben.
    »Ich glaube, sie ist runtergesprungen, als ich fiel.«
    Hannibal Ramos hatte die Sonnenbräune Kaliforniens und war schwabbelig wie ein Stubenhocker. Ich kannte ihn von Fotos, deshalb überraschte mich der Anblick nicht weiter. Was mich allerdings erstaunte, war die Erschöpfung, die aus seinem Gesicht sprach. Allerdings musste man bedenken, dass er gerade erst einen Bruder verloren hatte, so etwas fordert seinen Tribut. Das brünette Haar war dünn, der Ansatz hoch. Die Augen hinter der Schildpattbrille blickten abschätzend. Er trug eine graue Anzughose, die lange kein Bügeleisen mehr gesehen hatte, und ein weißes Hemd, ebenfalls zerknittert, den Kragenknopf geöffnet. Ganz mittelständischer Unternehmer nach einem anstrengenden Arbeitstag im Büro. Ich schätzte ihn auf Anfang vierzig, noch zwei Jahre bis zum vierfachen Bypass. »Dann ist sie wohl weggerannt«, sagte Ramos.
    »Hoffentlich nicht. Ich hab’s satt, ewig hinter ihr herzurennen.« Ich bin eine Meisterin im Lügen. Manchmal staune ich sogar über mich selbst.
    Hannibal machte das Tor in der Mauer auf und warf einen flüchtigen Blick auf den Radweg. »Schlechte Nachricht: Ich kann keine Katze sehen.«
    Ich schaute über Hannibals Schulter. »Mieze, Mieze, komm«, rief ich. Mittlerweile kam ich mir selbst ziemlich blöd vor, aber ich konnte in dieser Situation nur in die Offensive gehen. »Wissen Sie was?«, sagte Hannibal. »Ich glaube, Sie haben die Katze nur erfunden. Sie sind auf den Baum geklettert, um mich zu beobachten.«
    Ich starrte ihn mit ungläubigen Staunen an. Wie kommen Sie denn darauf? »Hören Sie«, sagte ich und flitzte an ihm vorbei durch das Tor. »Ich muss gehen. Ich muss unbedingt meine Katze wieder finden.«
    »Welche Farbe hat Ihre Katze?«
    »Schwarz.«
    »Dann viel Glück.«
    Ich suchte unter einigen Sträuchern am Rand des Radwegs. »Mieze, Mieze, komm!«
    »Geben Sie mir doch Ihren Namen und Ihre Telefonnummer, dann kann ich Ihnen Bescheid geben, wenn ich Ihre Katze gefunden habe«, sagte Hannibal.
    Unsere Blicke verschmolzen für einige Sekunden miteinander, und mein Herz geriet ins Trudeln.
    »Nein«, antwortete ich. »Lieber nicht.« Mit diesen Worten ließ ich ihn allein und ging.
    Ich verließ den Radweg und lief einmal um den Häuserblock herum zu meinem Wagen. Dann überquerte ich die Straße und blieb für einige Minuten im Schatten stehen und sah hinüber zu Hannibals Haus. Der Mann faszinierte mich. Wäre ich ihm auf der Straße begegnet, ich hätte ihn für einen Versicherungsmakler gehalten. Höchstens einen leitenden Angestellten in einem amerikanischen Unternehmen. Dass er der Kronprinz des illegalen Waffenhandels war, hätte ich nie für möglich gehalten.
    In einem der oberen Fenster leuchtete eine Lampe auf. Der Kronprinz zog sich wahrscheinlich etwas Bequemeres an. Es war noch zu früh fürs Bett, und unten brannte auch noch Licht. Ich wollte mich gerade abwenden, als ein Auto die Straße entlangkam und in Hannibals Einfahrt bog.
    Am Steuer war eine Frau, ihr Gesicht war nicht zu erkennen. Die Beifahrertür öffnete sich, und lange bestrumpfte Beine kamen zum Vorschein, gefolgt von einem Killerbody in einem dunklen Kostüm. Kurzes blondes Haar. Aktentasche unterm Arm.
    Ich schrieb mir die Autonummer in ein Notizbuch, das ich immer in meiner Umhängetasche dabeihabe, holte mein Minifernglas aus dem Handschuhfach und schlich zurück zu Hannibals Haus. Alles war ruhig. Wie gehabt. Hannibal wiegte sich wahrscheinlich in der Sicherheit, dass er mich verscheucht hatte. Welcher Idiot wäre aber auch so blöd, ihm zweimal in einer Nacht nachzustellen.
    Ich. Ich war der Idiot.
    Ich kletterte so leise wie möglich den Baum hoch. Diesmal fiel es mir leichter, ich wusste ja, wie es ging. Ich fand meinen alten Hochsitz und holte mein Minifernglas hervor. Leider gab es nicht viel zu sehen. Hannibal und seine Besucherin hielten sich in dem vorderen Zimmer auf. Ich konnte nur einen Streifen von Hannibals Rücken erkennen, und die Frau war überhaupt nicht zu sehen. Nach wenigen Minuten hörte man Hannibals Haustür ins Schloss fallen, ein Motor sprang an, und die Frau fuhr davon.
    Hannibal ging in die Küche, holte ein Messer aus einer Schublade und schlitzte damit einen Umschlag auf. Er zog den Brief hervor und las ihn sich durch. Keine

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