Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Toedliche Worte

Toedliche Worte

Titel: Toedliche Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
Vom Netzwerk:
war, dass irgendjemand von dieser Gruppe auf die schiefe Bahn geraten war, würden Carol oder Brandon wahrscheinlich doch einem solchen Gedanken kein Vertrauen entgegenbringen.
    Was das betraf, glaubte er es ja selbst nicht. Schon wenn er es nur oberflächlich durchdachte, passte es nicht.
    Er kippte seinen Stuhl zurück, bis er aus dem Lichtkegel war und sein Kopf die Bücherregale hinter ihm berührte. Hatte er tatsächlich seine besondere Fähigkeit verloren? War er zu lange aus der praktischen Arbeit weg gewesen? War er nicht besser als diese selbstsüchtigen Idioten, die das Erstellen von Täterprofilen ins Gerede brachten?
    Es war ein erschreckender Gedanke. Wenn er diese einzige Fähigkeit, die er wirklich meisterhaft beherrschte, verloren hatte, was war dann noch übrig? Er konnte sich jedenfalls nicht damit trösten, dass er seinen beruflichen Scharfsinn hatte nutzen können, um Carol zu helfen. Ein Mann, der seine Tage damit zubrachte, dass er Steine betrachtete, hatte kommen müssen, um wenigstens etwas von dem zu sehen, was sie brauchte, und danach zu handeln.
    Er gab sich noch eine Weile diesen Gedanken hin, dann richtete er sich plötzlich auf. »Rührseliges Selbstmitleid«, sagte er laut. »Unschön.« Und es brachte auch kein Verhalten hervor, auf das er stolz sein konnte. Er hatte sich auch nicht von der verdeckten Aktion heute Abend fern gehalten, weil er wirklich glaubte, er werde nichts beitragen können, was nützlich sein könnte, sondern aus einer Mischung von Gekränktsein und dem Gefühl, entschieden versagt zu haben. Er hatte sich selbst enttäuscht. Und was noch wichtiger war, er hatte vielleicht Paula McIntyre im Stich gelassen. Und das war etwas, was Carol viel schwerer vergeben könnte als die Rolle, die er bei ihrer eigenen Niederlage gespielt hatte.
    »Ach Scheiße«, sagte Tony, erhob sich vom Stuhl und griff nach seinem Mantel. Es war an der Zeit, sich nicht weiter gehen zu lassen. Vielleicht war es schon zu spät, um etwas sehr Schlimmes zu verhindern, das Paula McIntyre zustoßen könnte.

    Nach der Besprechung sah Carol den Mitarbeitern nach, die hintereinander den Raum verließen und deren leises Gemurmel zu einem Hintergrundgeräusch verschmolz. Sie hatte über dreißig Männer und Frauen zusammengezogen, um Paulas Ausflug in die Welt des Mörders zu unterstützen. Die meisten würden in Zivil auf den Straßen sein und sich unter die normalen Passanten von Temple Fields mischen. Manche würden in der Nähe der Einkaufsstraße parken, ohne Paula sehen zu können, aber Kontakt mit dem Überwachungswagen haben. Andere würden an strategischen Punkten im Labyrinth der kleinen Gassen stehen, bereit, jeden Fluchtversuch zu verhindern. Carol selbst würde mit Don Merrick, Stacey Chen, Jan Shields und zwei Technikern im Überwachungswagen sein, wo sie gespannt abwarten, auf die Monitore mit der Übertragung von den Überwachungskameras starren und angestrengt auf das horchen würden, was über den Sender kam, den Paula trug.
    Carol versuchte sich einzureden, dass sie zuversichtlich einem guten Ende entgegensehe. Sie dachte, sie hätten so viele Schutzmaßnahmen wie überhaupt möglich getroffen. Ein noch größeres Polizeiaufgebot hätte zu viel Auswirkung auf die Umgebung gehabt. Sie wusste, dass Mörder wie dieser oft ein feines Gespür für den Ort ihrer Verbrechen hatten, und es war wichtig, die Verhältnisse nicht so sehr zu ändern, dass ihre Zielperson es als eine Störung der Atmosphäre empfinden würde. Dies hatte sie im Lauf der Jahre von Tony gelernt. Seine Meinung wäre ihr heute Nachmittag willkommen gewesen. Zwar traute sie sich schon die Organisation einer größeren Operation zu; es war eher so, dass sie sich einen Blick aus einer anderen Perspektive auf ihre Pläne gewünscht hätte. Sie hätte Tony gern hier gehabt, weil er die Sache mit den Augen des Gejagten statt mit denen des Jägers betrachten konnte. Paula würde als Beute dargeboten werden. Carol wollte nicht, dass sie als Opferlamm endete, aber genauso wenig wollte sie, dass der Wolf Lunte roch und sich davonmachte.
    Tony benahm sich seltsam, fand sie. Seit ihrer Rückkehr nach Bradfield war er ja äußerst besorgt gewesen, deshalb hatte sie erwartet, er würde heute Abend nicht von ihrer Seite weichen. Man konnte seine Abwesenheit wohl kaum anders als einen Vorwurf verstehen.
    Die Letzten ihrer Ermittlergruppe hatten den Raum verlassen, und Carol warf einen abschließenden Blick auf die Tafeln, auf denen die

Weitere Kostenlose Bücher