Toedliche Worte
schien verlegen. »Nicht so deutlich, nein. Aber ich sehe es ihr doch an.«
Carol seufzte. Manchmal konnte sie das Gefühl nicht unterdrücken, dass Merrick eine Sprosse zu weit auf der Stufenleiter des Erfolgs aufgestiegen war. Er wäre ein toller Wachtmeister, aber als Inspector brachte er es einfach nicht. »Don, Sie liegen wahrscheinlich nicht ganz falsch. Aber wir haben nicht das Recht, Paula den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Sie ist gebeten worden, etwas zu tun – gebeten, es wurde ihr nicht befohlen –, und bis sie sagt, dass sie an ihre Grenzen gestoßen ist, hat sie es nicht verdient, dass wir ihren Mut untergraben, indem wir spekulieren, was sie tun wird. Also, wenn Sie nicht denken, dass sie sich selbst oder jemand anderen gefährdet, wird sie weitermachen.«
Merricks dunkle Augen nahmen einen mürrischen Ausdruck an. »Wenn Sie meinen, Ma’am.«
»Ja, Don, das tue ich. Und jetzt geh ich nach Haus und leg mich hin. Es ist ein furchtbarer Tag gewesen, und ich muss dem Tim-Golding-Team gleich morgen früh seine Anweisungen geben.« Sobald sie es gesagt hatte, verfluchte sie sich dafür.
»In der Sache wollte ich Sie etwas fragen«, sagte Merrick. »Ich möchte, dass Sie mich wieder der Ermittlergruppe des Tim-Golding-Falls zuteilen.«
Carol schüttelte den Kopf. »Nein, Don. Ich brauche Sie für diesen Fall. Ein Inspector muss sich um die Leute kümmern, die Zeugenaussagen lesen und die Einsätze koordinieren. Jemand muss den Überblick haben.«
»Dann nehmen Sie doch jemand anderen«, sagte er ungeduldig. »Tim Golding war mein Fall. Und ich habe auch das Verschwinden von Guy Lefevre untersucht. Niemand hat mehr Arbeit in die Suche nach diesen Jungen gesteckt als ich. Ich hatte ihretwegen schlaflose Nächte, ich hab mir für sie den Arsch aufgerissen. Ich kenne diese Fälle in- und auswendig, und auch die Familien. Und sie kennen mich. Jeder andere müsste wieder von vorne anfangen. Und für ihn wäre es einfach ein Fall wie jeder andere.«
Carol überlegte, ob sie diplomatisch sein sollte, verwarf aber den Gedanken. Sie war zu müde, sie mochte nicht um den heißen Brei herumreden. Und außerdem würde es bei Merrick sowieso nichts bringen. »Das ist größtenteils der Grund, warum ich Sie der anderen Gruppe zugeteilt habe. Wir haben jetzt eine neue Situation, und ich will, dass jemand die Leitung hat, der keine vorgefasste Meinung mitbringt.«
Merrick wich zurück, als hätte sie ihn geschlagen. Aber Carol fuhr fort: »Der andere Grund ist, dass die Fälle Foster und Mayall akut und noch am Laufen sind. Jemand anderen als Ersatz für Sie einzubeziehen würde bedeuten, dass er die unmögliche Aufgabe hätte, alles, was bis jetzt schon getan ist, noch einmal durchzusehen und trotzdem die neuen Aussagen und Einsätze voll im Griff zu haben.«
Verspätet versuchte sie, ihre Antwort herunterzuspielen. »Don, ich weiß, dass Ihnen das Verschwinden der Kinder sehr nahe gegangen ist. Und das ist ja nichts Schlimmes. Es bedeutet, dass Sie sich ganz besonders für Tim und Guy ins Zeug gelegt haben. Aber jetzt heißt es den Weg frei machen. Sandie und Jackie hatten auch Familien. Sie verdienen es genauso wie die Goldings und die Lefevres, dass wir ihnen eine Antwort geben. Und ich brauche Sie in dieser Ermittlung an meiner Seite.«
Merrick sah einen Moment so aus, als wolle er sich mit ihr streiten. Stattdessen ließ er aber die Schultern hängen, stand auf und duckte sich, damit er nicht mit dem Kopf ans Dach des Vans stieß. »Ich sehe Sie dann morgen früh, Ma’am«, sagte er verbittert. Dann war er verschwunden, und sie konnte über ein weiteres Beispiel ihres verpfuschten Führungsstils nachdenken.
»Was für ein beschissener Tag«, sagte sie halblaut, als sie aus dem Van stieg und auf ihren Wagen zuging. Sie hatte am Grab eines Kindes gestanden und war dann zu den Goldings nach Haus gefahren, um ihnen zu sagen, dass es aller Wahrscheinlichkeit nach das ihres Sohnes sei. Danach hatte sie die Nachricht an Jonathan weitergeben müssen, bevor er sie im Radio oder Fernsehen hören würde. Worauf sie vier Stunden lang in einer Atmosphäre äußerster Anspannung im Van gesessen hatte. Und jetzt hatte sie gerade den zweiten Mann ihres Teams verärgert. Sie war fertig mit den Nerven und brauchte einen großen Drink – und zwar schnell.
Was sie aber überhaupt nicht erwartet hatte, als sie vor ihrer Wohnung anhielt, war Jonathan, der auf seinem Motorrad hockte. Sie warf einen Blick zu Tonys
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