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Toedliche Worte

Toedliche Worte

Titel: Toedliche Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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guter Mensch und eine gute Polizistin.«
    »Woher willst du das wissen?«
    »Ich hab dich heute da draußen gesehen. Wie du die ganze Sache geleitet hast, ohne dass es auch nur jemand gemerkt hat. Und während all das lief, hast du noch die Zeit gefunden, freundlich zu mir zu sein. Und jetzt bis du wieder nett zu mir.«
    Carol stieß einen Seufzer aus, der aus tiefstem Herzen zu kommen schien. »Hast du schon mal daran gedacht, dass ich eigentlich nur zu mir selbst nett bin? Jonathan, ich möchte heute Nacht nicht alleine sein.«
    Sie spürte, wie seine Muskeln sich spannten. »Du meinst …?«
    Noch ein tiefer, rückhaltloser Seufzer. »Ja, das meine ich. Aber, Jonathan …« Sie wich etwas zurück, damit sie sein Gesicht sehen konnte. »Nur wenn du absolut sicher bist, dass du nicht in mich verliebt bist.«

    Kurz nach fünf gab Tony den ungleichen Kampf gegen die Schlaflosigkeit auf. Eine Zeit lang war er eingedöst und wieder aufgewacht, weil die Gedanken an Tim Golding und die an Guy Lefevre, das Kind, das man in all der Aufregung fast vergessen hatte, ihn umtrieben. Als Carol ihm die Nachricht über die Entdeckung im Swindale hinterließ, hatte sie ihn nicht ausdrücklich um Hilfe gebeten, aber er hatte ihr versprochen, sich den Tatort anzusehen, auch weil er meinte, die Polizei von Bradfield hätte, was diesen Fall betraf, noch einiges bei ihm gut. Am Anfang der Ermittlungen hatte Don Merrick ihn um ein Täterprofil gebeten, und es war ihm schmerzlich bewusst, dass er nur eine sehr ungenaue Skizze hatte liefern können. Es war nicht seine Schuld gewesen, denn er hatte gleich zu Anfang gesagt, er brauche mehr Daten, um wirklich helfen zu können. Aber jetzt hatte er mehr Information, und ein Besuch in Derbyshire konnte noch einiges bringen, so dass es dann möglich sein dürfte, ein etwas detaillierteres Profil zu erstellen.
    Er lag auf dem Rücken und hatte die Hände hinter dem Kopf verschränkt. Das Zimmer war dunkel, aber das war gut so. Er brauchte nichts zu sehen, um zu denken. Noch einmal führte er sich vor Augen, was er über den Mann zu wissen glaubte, der Tim Golding entführt und getötet hatte und wahrscheinlich vorher mit Guy Lefevre genauso verfahren war. Auf jeden Fall war es ein Mann. Der Zweifel an dieser Tatsache war verschwindend gering. Es ging immer um Wahrscheinlichkeiten. Aber gleichzeitig musste man offen sein, weil gerade die Natur der Sexualmorde ihre ganz eigenen Gesetze hatte. Es ging um Bedürfnisse, die nicht oft genug vorkamen, um eine solide statistische Grundlage zu bieten.
    Also ein Mann. Alter irgendwo zwischen Ende zwanzig und Anfang vierzig. Es brauchte Zeit, bis diese Art Mörder heranreifte. Teenager und Männer Anfang zwanzig gingen oft auf sexuelle Raubzüge, trieben es aber selten so weit, dass ein Leben ausgelöscht wurde. Manchmal wurden sie eher zufällig zu Mördern, wenn sie ihre Opfer zu etwas zwingen wollten, zu weit gingen und die Sache mit dem Tod endete. Wenn ihnen gefiel, was sie dabei fühlten, war es beim nächsten Mal kein Unfall, und ein weiterer Serienmörder war unterwegs. Aber meistens war das erste Mal kein absichtlicher Mord. Und es dauerte lange, bis die Phantasievorstellungen eines Mannes zu einer so starken Antriebskraft wurden, dass sie ihn dazu brachten, ein Leben zu zerstören. Man konnte also mit einiger Sicherheit ein höheres Einstiegsalter als bei Vergewaltigung oder Sittlichkeitsdelikten annehmen. Auch die Obergrenze war nicht beliebig. Mitte vierzig hatte sich die drängende Wut der Jugend gelegt oder war von Alkohol eingelullt. Wenn sie bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu morden angefangen hatten, bestand die Möglichkeit, dass sie diesen Schritt nie tun würden.
    Auch die schwierige Kindheit war mehr oder weniger eine Konstante. Natürlich war es möglich, all diese Merkmale zu haben, ohne sich zu einem Menschen zu entwickeln, der sich den dunklen Trieben hingab. Tony wusste dies nur allzu gut. Jeder, der seine eigene Vergangenheit untersuchte, fand eine Reihe von Indikatoren, die bei einem anderen Menschen als erste Trittsteine für die verschlungene Route einer psychopathologischen Entwicklung gedient hätten. In seinem Fall hatten sie den Grundstein gelegt für seine Einfühlsamkeit gegenüber denen, die einen anderen Weg gegangen waren. Er war sich nie sicher, wo die entscheidende Wende auf seinem Weg stattgefunden hatte, aber er war schließlich eine andere Art Jäger geworden. Und genauso wie der Serienmörder einen sicheren

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