Toedliche Worte
Im Café wurde es still, und alle Augenpaare richteten sich auf sie.
»Lass mich in Ruhe! Ich habe dir nichts zu sagen«, rief Dee verzweifelt über die Schulter zurück und stürzte aus der Tür.
Carol wurde tiefrot, denn sie war sich bewusst, jetzt allein im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. Sie spürte eine Berührung am Arm und fuhr herum, bereit, auf jeden loszugehen, der es mit ihr aufnehmen wollte. »Tony?«, sagte sie verblüfft. »Ich hab dich nicht gesehen. Verfolgst du mich?« Sie fragte sich einen verrückten Moment lang, ob er es sich zur Aufgabe gemacht hatte, sie zu beschützen.
»Nein, Carol. Ich bin nur unterwegs gewesen und denke dabei nach.« Er führte sie an einen Ecktisch im hinteren Teil, wo er bei einem Kaffee gesessen und die Stimmung auf sich hatte wirken lassen, als Carol kam.
»Du hast nichts wahrgenommen außer der Frau, mit der du geredet hast«, sagte er.
»Das war Dee Smart.«
»Die sich mit Sandie das Zimmer geteilt hat?«
Carol verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich hab das so schrecklich verkorkst.« Wütend auf sich selbst presste sie die Lippen aufeinander. »Sie weiß etwas über die Viper. Sobald ich den Namen erwähnte, wurde sie ganz nervös. Sie weiß etwas, und jetzt wird sie es mir verdammt noch mal ganz bestimmt nicht sagen.«
»Was genau hat sie denn gesagt?«
Carol schloss die Augen und rief sich mit Hilfe ihres perfekten Erinnerungsvermögens an Gespräche alles ins Gedächtnis. »Sie sagte: ›Meinen Sie, ich sage das Ihnen, ausgerechnet Ihnen?‹ Und dann sagte sie: ›Sie glauben, Sie können mir mit Ihren Drohungen Angst machen? Hör zu, du Bullenweib, es gibt Leute da draußen, vor denen hab ich viel mehr Angst als vor allem, was du mit mir machen könntest.‹«
»Interessant«, sagte Tony.
»In welcher Hinsicht?«
»Bin noch nicht sicher. Es gibt da etwas, dem ich auf der Spur bin, aber ich bin noch nicht ganz so weit«, sagte er langsam. Carol wusste, dass es nichts bringen würde, ihn jetzt zu drängen. Seine Hypothesen klangen manchmal, als seien sie dem Gehirn eines Irren entsprungen, aber nie gab er sie preis, bevor sie eine endgültige Form angenommen hatten. Sie würde eben warten müssen, so frustrierend das auch sein mochte, wenn ein Leben auf dem Spiel stand.
»Es wäre schön, wenn es bald so weit wäre«, murmelte sie.
»Soll ich mal mit Dee reden?«
Carol überlegte. Das war wahrscheinlich keine schlechte Idee. »Meinst du, du kannst damit etwas erreichen?«
Er hob abwehrend die Hände. »Na ja, ich bin nicht bei der Polizei. Und ich bin keine Frau.«
Sie konnte sich nicht verkneifen zu sagen: »Hab ich bemerkt.«
Er verzog das Gesicht. »Vielleicht wird Dee es auch bemerken.« Er schob seinen Stuhl zurück.
»Tony …«, begann Carol.
Er sah sie fragend an. »Ja?«
Sie seufzte. »Nichts. Kann warten. Das ist hier nicht der rechte Ort dafür.«
Er sah sich um. »Ich weiß, was du meinst. Dann später.«
Sie schaute ihm nach und fragte sich, wann genau der richtige Moment kommen würde, um Tony zu sagen, dass sie meinte, sein Chef sei vielleicht ein Serienmörder.
Sam Evans glaubte nicht daran, dass man durch Glück weiterkam. Nur Trottel glaubten das. Er vertraute auf harte Arbeit und darauf, Vorbereitungen zu treffen und dann den rechten Augenblick zu nutzen. Das war der Unterschied zwischen großem Erfolg und ewigem Herumhängen, mit dem man es nie zu etwas brachte. Man musste sich eben etwas suchen, was einem einen Vorsprung verschaffte. Und das hatte Evans den ganzen Tag getan. Er wollte unbedingt, dass Carol Jordan ihn von ihrer Abschussliste strich. Er fand es in Ordnung, insgeheim gegen sie zu arbeiten, aber er wollte nicht, dass sie dasselbe mit ihm machte. Obwohl er sich Beachtung von seinen Vorgesetzten wünschte, war dies definitiv die falsche Art von Aufmerksamkeit, und er musste sie möglichst schnell aus der Welt schaffen. Trotz der Monotonie seiner Aufgabe hatte er also seine Fühler ausgestreckt, um wenigstens irgendetwas Außergewöhnliches aufzuspüren. Tony Hills Bericht über Tyler und die Viper schien ihm den gesuchten Durchbruch zu ermöglichen. Es wäre toll, wenn er jemanden finden könnte, auf den diese Beschreibung passte.
Es war dunkel und kalt in den Straßen von Temple Fields geworden, und er hatte immer noch keinen Ansatzpunkt gefunden. Aber gerade als er schon fast die Hoffnung aufgegeben hatte, spürte er an dem Prickeln auf seiner Stirn, dass sich da etwas tat. Er hatte eine
Weitere Kostenlose Bücher