Toedliche Worte
Verlust zu leben.«
Aus Storeys Augen und über seine Wangen rannen Tränen, ohne dass er es beachtete. »Warum wollen Sie das tun?«
Weil das meine einzige Stärke ist , dachte Tony, sagte aber: »Weil Sie es verdient haben, Tom. Weil Sie es verdient haben.«
Das Selbstbewusstsein, mit dem Carol das Vernehmungsbüro betrat, war nicht echt, sondern vorgetäuscht. Es war Monate her, dass sie jemanden – ob nun einen Zeugen oder einen Tatverdächtigen – befragt hatte, und sie hatte Angst davor, dass ihre Gefühle ihre Arbeit stören könnten. Auch dass sie sich Paulas Gegenwart bewusst war, die sich ein Urteil über sie bildete, half nicht gerade. Wenigstens schien Ron Alexanders Gelassenheit etwas angeschlagen. Er sah sie nicht mehr an und spielte ständig an seinem Ehering herum.
»Also«, sagte Carol und setzte sich zurecht. »Ich bin Chief Inspector Jordan und das ist Constable McIntyre. Wie Ihre Anwältin Ihnen sicher erklärt hat, Mr. Alexander, brauchen wir Hilfe bei einer anderen Ermittlung, die nichts mit den Gründen zu tun hat, aus denen Sie ursprünglich festgenommen wurden. Wir wären Ihnen dankbar, wenn Sie mit uns zusammenarbeiten würden.«
»Warum sollte ich mit Ihnen sprechen?«, stieß Alexander hervor. »Sie werden doch alles, was ich sage, verdrehen und gegen mich verwenden.«
Bronwen Scott legte ihm eine Hand auf den Arm. »Sie brauchen nichts zu sagen, Ron.« Dann sah sie Carol direkt an. »Mein Mandant befürchtet, dass jedes Entgegenkommen, das er zeigt, in einem etwaigen späteren Verfahren gegen ihn verwendet wird.«
Carol schüttelte den Kopf. »Sie wissen, dass das nicht von uns abhängt, Ms. Scott. Es ist Sache der Staatsanwaltschaft, wie sie verfahren will. Aber ich bin durchaus bereit, mit ihnen darüber zu reden, wenn die Zeit dafür gekommen ist.«
»Das genügt nicht.«
Carol zuckte die Schultern. »Mehr kann ich nicht bieten. Ihr Mandant sollte sich aber vielleicht mal die andere Variante vorstellen. Wenn er uns in einem so heiklen Fall nicht weiterhilft, wird ihm später niemand mehr Nachsicht entgegenbringen.«
»Soll das eine Drohung sein, Chief Inspector?«
»Nur eine Feststellung, Ms. Scott. Sie wissen ja genauso gut wie ich, dass in einem Fall von Kindesentführung die Emotionen hochkochen. Sexualtäter haben es im Gefängnis schon ohne zusätzliche Probleme schwer genug. Sie müssen selbst entscheiden, Mr. Alexander.«
Carol betrachtete den Mann eingehend, der verlegen auf seinem Stuhl herumrutschte. Sie schlug die Mappe auf, nahm das Foto heraus, das Jan Shields ihr gegeben hatte, und legte es ihm vor.
»Das haben wir auf Ihrem Computer gefunden. Erkennen Sie dieses Kind, Mr. Alexander?«
Er schaute auf das Bild hinunter, wandte dann den Blick ab und ließ ihn über die Wand schweifen, als könnte sie ihm helfen, die Antwort zu finden. »Ja«, sagte er mit kaum hörbarer Stimme.
»Können Sie mir sagen, wer es ist?«
»Er heißt Tim Golding.« Er nahm Scotts Kugelschreiber in beide Hände, als wolle er ihn in der Mitte durchbrechen. »Das Bild war in den Zeitungen. Und im Fernsehen.«
»Wann haben Sie das Foto bekommen?« Leicht vorgebeugt versuchte Carol, nett und herzlich zu klingen.
Er warf Scott einen fragenden Blick zu, die ihm zunickte.
»Ich weiß nicht genau. Vor ein paar Wochen, glaube ich. Es war in einem E-Mail-Anhang. Ich erschrak, als ich ihn öffnete.«
»Weil Sie Tim Golding erkannten?«
Er nickte. »Ja. Und weil … weil er so aussah.«
»Wieso? Sind Sie nicht an Bilder von nackten, verängstigten Kindern gewöhnt?«
»Antworten Sie nicht darauf, Ron«, sagte Scott schnell. »Chief Inspector, wenn Sie weiterkommen wollen, muss ich darauf bestehen, dass Sie Fragen unterlassen, die meinen Mandanten dazu verleiten könnten, belastende Aussagen zu machen.«
Ach, tatsächlich . Carol holte tief Luft und zog ein weiteres Foto aus der Mappe. »Erkennen Sie diesen Jungen?«
Alexander runzelte die Stirn. »Ist das nicht der, der letztes Jahr verschwunden ist? Guy oder so was?«
»Guy Lefevre?«, sagte Carol. »Ist Ihnen jemals ein Foto von Guy Lefevre zugeschickt worden?«
»Nein.« Alexander wandte den Blick zur Seite. Carol war nicht sicher, ob das eine panische Reaktion war oder ob er log. Aber da Bronwen Scott jede einzelne Frage so aufmerksam verfolgte, würde es nichts bringen, weiter darauf herumzureiten.
»Was taten Sie, als Sie Tim Golding erkannten?«, fragte sie.
»Ich habe das Bild sofort gelöscht«, sagte er. »Ich
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