Toedliche Worte
wollte es nicht auf meinem Computer haben.«
Carol vermied alles Provozierende und versuchte, mitfühlend zu klingen. »Sie dachten nicht daran, sich an die Polizei zu wenden? Sie hätten es ausdrucken und uns anonym schicken können. Sie haben doch selbst Kinder, Ron, oder? Wie, glauben Sie, würden Sie sich fühlen, wenn eins davon verschwinden würde? Wäre es Ihnen nicht lieb, glauben zu können, dass jemand, der etwas von dem Kind wüsste, sofort die Polizei informieren würde?«
Feine Schweißperlen erschienen auf seiner Stirn. »Ja, schon«, sagte er.
»Es ist nicht zu spät, das wieder gutzumachen«, sagte Carol. »Wer hat Ihnen das Foto geschickt, Ron?«
Er tat einen tiefen Atemzug. »Ich weiß es nicht. Die Leute setzen ja nie ihre richtigen Namen auf eine E-Mail, wissen Sie?«
Carol wusste das. Sie nahmen Spitznamen und Kombinationen aus Buchstaben und Zahlen, selbst wenn sie nichts zu verbergen hatten. Ihre eigene private E-Mail-Adresse setzte sich aus ihrem Zunamen und den letzten vier Ziffern ihrer früheren Telefonnummer zusammen, weil »caroljordan« schon vergeben war, als sie sich angemeldet hatte. »Gut. Sie kannten also den Absender nicht? Was war also seine E-Mail-Adresse?«
Ratlos breitete er die Arme aus. »Ich weiß es nicht. Ich habe nicht darauf geachtet. Hab einfach alles gelöscht. Die E-Mail und den Anhang.«
»Wahrscheinlich war es doch jemand, der Ihnen schon öfter etwas geschickt hatte?«
»Ich würde Ihnen raten, diese Frage nicht zu beantworten, Ron.« Scott legte ihm wieder die Hand auf den Arm.
Carol starrte die Anwältin wütend an. »Sie scheinen ganz aus den Augen zu verlieren, was hier auf dem Spiel steht, Ms. Scott. Ein Kind wird vermisst. Wir wissen beide, es ist gut möglich, dass es schon tot ist. Ich versuche herauszufinden, was mit dem Jungen geschehen ist, und nur das ist mir wichtig.«
»Sehr lobenswert, Inspector. Aber meine Sorge ist, dass das Interesse meines Mandanten gewahrt bleibt. Und ich werde nicht ruhig zusehen, wenn Sie ihn möglicherweise in Aussagen verwickeln, mit denen er sich belastet.«
Carol fasste sich und konzentrierte sich wieder auf Alexander. »Ron, erinnern Sie sich an irgendetwas, das uns zu der Person führen könnte, die Ihnen dieses Bild geschickt hat?«
Er schüttelte den Kopf. »Ehrlich, wenn ich etwas wüsste, das Sie weiterbringt, würde ich es Ihnen sagen. Ich möchte wirklich helfen.«
»Gut. Probieren wir mal was anderes. Was glauben Sie, warum hat er es Ihnen geschickt? Warum könnte er gedacht haben, dass Sie so etwas sehen möchten?«
»Ich glaube nicht …«, warf Scott ein.
»Geht schon in Ordnung«, sagte Alexander. »Ich weiß darauf auch keine Antwort. Jeder bekommt doch E-Mails, die er nicht angefordert hat. Spamblocker halten ja nicht alles ab.« Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, da er jetzt begriffen hatte, wie dieses Spielchen lief, und war wesentlich entspannter.
In Carol kam Ärger auf. »Alles klar. Wenn Sie die Sache so angehen wollen, Mr. Alexander, dann machen wir’s eben so.« Sie stieß ihren Stuhl zurück. »Diese Befragung ist abgeschlossen. Aber ich sollte Ihnen wohl mitteilen, dass wir alle Daten auf Ihrer Festplatte eingehend untersuchen werden. Wir werden jeden Ihrer Schritte im Internet verfolgen. Sie denken wohl, Sie hätten alles in Ihrem Computer gelöscht, aber unsere Techniker werden Ihnen zeigen, wie gründlich Sie sich da geirrt haben. Sie hatten Ihre Chance, Mr. Alexander, und haben sie gerade vertan.«
Carol marschierte aus dem Vernehmungsbüro und ging in ihr eigenes Büro zurück, ohne sich auch nur umzusehen, ob Paula ihr folgte. »Stacey? In mein Büro, bitte«, sagte sie, als sie durch das Einsatzzentrum ging. Paula und Stacey traten gleichzeitig ein. »Was haben die Techniker auf Ron Alexanders Computer gefunden?«, fragte sie Stacey und machte ihnen ein Zeichen, dass sie sich setzen sollten.
»Nicht so viel, wie wir gehofft hatten«, sagte Stacey. »Die Leute sind so dämlich, was diese Dinge betrifft. Alexander dachte, er hätte alles von seiner Festplatte gelöscht. Wahrscheinlich bekam er Panik, als er die ersten Zeitungsberichte über Operation Ore sah. Aber wie die meisten dachte er, wenn er nur alles löschte und dann den Papierkorb leerte, wäre es endgültig verschwunden. Und wie die meisten hat er sich nicht die Mühe gemacht, neu zu formatieren oder auch nur zu defragmentieren.«
»Defragmentieren?«, fragte Paula schwach.
Stacey verdrehte die Augen.
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