Toedliche Worte
Auftrag, seine erste Läuterung.
Diesmal blieb ihm seine Erektion erhalten.
Dritter Teil
Drei Wochen später
A ls Kind hatte er oft Alpträume gehabt. Seit Jahren hat er nicht mehr daran gedacht, denn sie hörten auf, als er anfing zu kiffen. Er kann sich nicht erinnern, wann er zum letzten Mal ohne das angenehm schwebende Gefühl nach mindestens einem Joint zu Bett ging. Und deshalb kann er sich auch nicht erinnern, wann er zum letzten Mal schreiend und zitternd aus einem bösen Traum erwachte. Aber er weiß noch gut, wie im Traum immer jemand über ihm aufragte, den Mund auf- und zumachte und ihn grausam beschimpfte. Und dass er unter diesem Angriff zusammenzuschrumpfen schien und die Gestalt immer größer wurde, wie ein Monster aus einem Manga-Comic. Er konnte nie verstehen, was die Gestalt sagte, aber die Worte schienen ihm förmlich die Haut abzuziehen, bis er das Gefühl hatte, wund und blutig zu sein.
Und dass es nichts Tröstendes gab, wenn er aufwachte, machte es noch schlimmer. Er hatte keine Erinnerungen an Sanftheit oder Freundlichkeit, die er den Schrecken und der Wut seines Alptraums hätte entgegensetzen können.
Es ist kaum zu glauben, wie sich alles geändert hat. Jetzt schläfert ihn der sanft wiegende Rhythmus der Stimme ein. Er würde glatt eine Wette eingehen, dass er heutzutage wie ein Baby schlafen könnte, selbst wenn er das Gras aufgäbe. Versuchen wird er es allerdings nicht. Das Leben ohne Alpträume ist ihm zu lieb, als dass er dieses Risiko eingehen möchte.
Heute Abend schmiedet er Pläne. Die Stimme in seinem Kopf sagt ihm, es sei Zeit, den nächsten Schritt zu tun. Zeit, um das nächste Kapitel der Lektion zu lernen, wie die Stimme meint. Zeit für eine neuerliche Läuterung.
Morgen Abend wird er nach Hause kommen und alle seine Gerätschaften ordentlich auf dem Bett ausgebreitet vorfinden. Morgen Abend wird er sich vorbereiten, genau wie das letzte Mal. Er versucht, sich die Zielperson nicht als Mensch vorzustellen. So wird sein Kopf nicht durcheinander gebracht wie letztes Mal bei Sandie, als er am Ende plötzlich meinte, er solle sie vielleicht doch nicht umbringen, als alles durcheinander geriet und nur der Gedanke an die Stimme ihn weitermachen ließ.
Diesmal wird er an sie nicht als Person mit einem Namen denken. Er wird sie nur als Schrott ansehen, den man loswerden muss, damit er nicht die Welt vergiftet, in der er leben muss. Dann wird er auf dem Drachen den Weg zum Ruhm reiten. Er wird ein Held sein genau wie im Film. Blut und Ehre. Blut und Ehre und die Stimme.
E s gab einmal eine Zeit, da konnten sich anständige Leute die Dinge für ihre Sexspielchen nur kaufen, indem sie sich das, was in den Katalogen mit bizarrer Prüderie als »schnurloses Nacken-Massagegerät« beschrieben wurde, schicken ließen. Aber im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts gibt es in jeder größeren Stadt des britischen Königreichs bereits mindestens ein gut ausgestattetes Geschäft, das für die Erfüllung der meisten sexuellen Wünsche sorgt, die man sich nur vorstellen kann. Schäbige kleine Läden mit verhängten Fenstern hatten den Anfang gemacht, gegen die immer wieder Protestierende aus verschiedenen Lagern antraten, von frommen Christen bis zu Frauen, die fanden, die Nacht solle allein ihnen gewidmet werden. Aber die Läden waren schnell zu gut beleuchteten, einladenden Konsumpalästen aufgestiegen, deren Regale mit allem Erdenklichen gefüllt waren, von seltsamen, mit Kunstpelz bezogenen Handfesseln bis hin zu Gerätschaften, deren Zweck den meisten Kunden, die nur einen netten Abend zu Hause verbringen wollten, glücklicherweise verborgen blieb.
In den meisten dieser Geschäfte herrschte eine zwanghafte Heiterkeit. Der Pink Flaming-O war typisch dafür. Das Geschäft lag am weniger schicken Ende der Haupteinkaufsstraße von Firnham, einer der sechs Trabantenstädte um Bradfield herum, hatte zwei Schaufenster und war früher ironischerweise ein Spielzeugladen gewesen. Die Fenster waren undurchsichtig grellrosa gestrichen, damit jene Bürger von Firnham, die nach wie vor unerschütterlich ihr Desinteresse an den Auslagen bekundeten, sich nicht beleidigt fühlten. Da die meisten Geschäfte an diesem Ende der Deansgate eine Lebenserwartung von sechs bis achtzehn Monaten hatten und der Pink Flaming-O sich schon seit vier Jahren hielt, musste man annehmen, dass viele Bewohner der Stadt ein lebhaftes Interesse an den abenteuerlicheren Seiten des Geschlechtslebens hatten
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