Toedliche Worte
Dee hob den Kopf und warf ihr einen berechnenden Blick zu. Carol betrachtete ihr mit Henna gefärbtes, strähniges Haar und die müden, misstrauischen Augen.
»Wer sind Sie?«, fragte sie.
»Hi, Dee«, sagte sie. »Tut mir leid, dass ich gestern keine Gelegenheit hatte, Sie kennenzulernen. Ich bin Detective Chief Inspector Jordan. Carol Jordan.« Carol lächelte und streckte ihr die Hand hin.
Offensichtlich verblüfft nahm Dee ihre Zigarette in die andere Hand und begrüßte sie mit einem Händeschütteln. »Na gut«, sagte sie. »Sie wissen also offenbar, wer ich bin.«
»Es tut mir leid wegen Sandie«, sagte Carol.
»Aber bestimmt nicht halb so leid wie mir.«
»Natürlich. Sie war nicht meine Freundin. Aber ich möchte, dass Sie wissen, ich werde denjenigen, der sie umgebracht hat, genauso unnachgiebig verfolgen, als wenn sie es gewesen wäre.«
Carols aufrichtiger Tonfall schien Dees Panzer von Abgebrühtheit zu durchdringen. »Das hat der andere Typ auch gesagt. Dass Sie die Sache ernst nehmen würden.« Sie klang überrascht.
Jan kam mit einer Dose Cola in jeder Hand an den Tisch, stellte die Getränke ab und ließ sich auf einen Stuhl fallen, der im rechten Winkel zu den beiden Frauen stand. »Dee, das ist …«, fing Carol an.
»Ich weiß, wer das ist«, sagte Dee. Ihre Haltung war jetzt wieder so aufmüpfig wie zuvor.
»Hi, Dee. Wie geht’s?«, fragte Jan.
»Na, was meinen Sie wohl?« Sie rückte von Jan ab.
Carol riss die Lasche an ihrer Coladose auf und nahm einen Schluck. Zucker, Koffein und die Kohlesäurebläschen taten ihr gut und erfrischten sie sofort. »Mir ist klar, dass Sie es jetzt nicht einfach haben, aber wir brauchen wirklich Ihre Hilfe.«
Dee seufzte. »Hören Sie, wie ich schon gesagt habe, als Sie anriefen. Ich habe dem Typ gestern Abend alles gesagt, was ich weiß.«
Jan schüttelte den Kopf. »Es gibt immer noch was, Dee. Das wissen wir doch alle. Dinge, die Sie für unwichtig halten, oder solche, die Sie für zu wichtig halten. Von wem hat sie ihren Stoff gekauft?«
Dee schien von Panik ergriffen. Ihr Blick schweifte zum Tresen, an den Carl Mackenzie, mit einem Becher in der Hand, gelehnt stand und mit dem Mädchen an der Bar sprach. »Weiß ich nicht«, murmelte sie.
»Natürlich wissen Sie das.« Jan folgte Dees Blick so schnell, dass sie bemerkte, wie Carl auf die Tür zuging und nervös in ihre Richtung schaute.
»War das Carl Mackenzie, der gerade rausging?«, fragte Jan.
»Ich hab hinten keine Augen. Und wenn er es war, was ist damit? Wir sind immer noch in einem freien Land, oder? Man kann einen Kaffee trinken, wo immer man will, oder?« Dee redete verdächtig viel, fand Carol.
Jan meinte das offenbar auch. »Sandie hat sich bei Carl eingedeckt. Stimmt’s?«
Dee lachte verächtlich. »Sandie war doch nicht asozial. Ich weiß nicht, von wem sie kaufte, aber jedenfalls nicht von Carl, okay? Lasst ihn in Ruhe, er ist harmlos.«
»Weil er Sie bedient, was?«, bemerkte Jan missmutig.
»Sie können mich mal. Also, vielleicht hat sie hier und da etwas von Jason Duffy genommen, aber mehr weiß ich nicht.«
»Hatte sie einen Zuhälter?«, fragte Carol.
Dee schüttelte den Kopf. »Es gibt weniger Schlepper in Temple Fields, als man annehmen würde. Dafür hat ihre Truppe gesorgt«, sagte sie und wies mit dem Daumen auf Jan.
»Wir haben vor einiger Zeit ’ne Menge Zuhälter von hier vertrieben«, sagte Jan zu Carol. »Wir haben ihnen klar gemacht, dass wir ihre Gelder nach dem Gesetz gegen illegale Einkünfte kassieren würden.« Sie wandte sich an Dee. »Ich hätte eher gedacht, dass ihr uns dankbar dafür wärt, dass wir sie euch vom Hals geschafft haben.«
»Wir wären verdammt dankbar gewesen, wenn ihr nicht auch gleich noch die Kunden von den Straßen vergrault hättet«, beklagte sich Dee bitter. »Ihr habt uns doch von den großen Straßen weg in die Seitengassen gedrängt. Und jetzt fängt alles von vorne an.«
Carol spürte, dass die Verbindung abriss, die sie zu Dee hatte aufbauen können. »Wir wollen es unterbinden«, beharrte sie.
»Ja, aber ich hab euch alles gesagt, was ich konnte.« Dee schob ihren Stuhl zurück.
Carol versuchte es noch ein letztes Mal. »Wenn Sie sich noch an irgendetwas erinnern, egal, wie nebensächlich es Ihnen vorkommt, es könnte trotzdem wichtig für unsere Ermittlungen sein, Dee. Wir sind doch da, um zu helfen.«
Dee lachte laut. »Ja, aber im Café sitzen und mit den Bullen gesehen werden, das hilft mir nicht, mein
Weitere Kostenlose Bücher