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Toedliche Worte

Toedliche Worte

Titel: Toedliche Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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bezahlte sie dafür, dass sie sich fesseln ließ. Für diesen Typ von Vergewaltiger gibt es kein Streicheln, kein Küssen, kein Vorspiel – und ich wette, genau das trifft hier zu. Er schnitt nur so viel von ihrer Kleidung weg, dass er das tun konnte, was er wollte. Das ist seine Art des Vorspiels. Es gibt keine Anzeichen, dass er sich etwas als Andenken mitgenommen hat, obwohl ich den Verdacht habe, dass er seine Aktionen auf Video aufgenommen hat. So weit ist alles typisch. Aber dann bringt er sie um. Und das fällt bei Vergewaltigern, die ihre Macht bestätigt sehen wollen, völlig aus dem Rahmen. Alles, was wir über diesen Tätertyp wissen, weist darauf hin, dass sie nur so viel Gewalt anwenden, wie sie für ihr Ziel brauchen. Sie sind im Großen und Ganzen keine Sadisten. Das ist das erste Problem.
    Das zweite ist viel wesentlicher für uns.« Er hielt bei seinem rastlosen Hin- und Hergehen inne und füllte sein Glas. »Der Vergewaltiger, der seine Macht demonstriert, hat ein starkes Ego. Er ist sich seiner Männlichkeit sicher. Er bewegt sich in einer Zone, in der er sich wohl fühlt und sich zutraut, das Opfer in eine Lage zu bringen, in der er seine Macht demonstrieren kann. Das ist keine Frage der Wahrscheinlichkeit, es steht praktisch fest.« Er sah Carol mit seinen blauen Augen durchdringend an. »Findest du, dass sich das nach Derek Tyler anhört?«
    Carol strich ihr kurzes blondes Haar aus der Stirn. »Du weißt ja, dass es nicht so klingt. Aber das ist kein Argument für die Gerichtsmediziner. Meinst du, es würde etwas bringen, es noch mal bei Derek Tyler zu versuchen?«
    Tony ließ sich auf seinen Stuhl fallen. »Ich hab’s schon versucht. Aber außer dem, was er schon letztes Mal sagte, hat er kein Wort geäußert. Es ist, als hätte er gelernt, mich auszuschalten. Wenn du willst, dass ich’s noch mal probiere, tu ich es. Aber du solltest dir nichts davon versprechen.«
    »Im Moment, Tony, kann ich nur noch auf dich hoffen.«

    DC Paula McIntyre fuhr auf der Suche nach dem Penny Whistle Pub langsam eine Straße entlang, die sie nicht kannte. Die Reihen eng nebeneinander stehender Häuser aus den sechziger Jahren wiesen unverkennbare Merkmale dafür auf, dass sie aus dem Besitz der früheren städtischen Gesellschaft für Sozialwohnungen in Privatbesitz übergegangen waren: hässliche, schlampig gebaute Veranden, scheußliche billige Türen, unpassende Fenster mit rautenförmigen Scheiben. Noch zwei Jahre zuvor wäre Paula höchstens in Kenton gewesen, weil wieder mal eine Auseinandersetzung im Drogenkrieg tobte und jemand durch die zentralen Straßen des Stadtteils gefahren war und herumgeballert hatte. Dieser Tage hatte Kenton nicht mehr den Ruf einer Gegend, in die man einfach nicht gehen konnte. Dies aber nicht dank effektiver Polizeiarbeit, sondern wegen seiner Lage in der Nähe des Bradfield Cross Krankenhauses und der Universität, die dazu führte, dass sich dort scheinbar fast über Nacht junge Mediziner und besorgte Eltern ansiedelten, die sicherstellen wollten, dass ihre privilegierten Sprösslinge sich nicht der anstrengenden Suche nach einer erschwinglichen Mietwohnung unterziehen mussten.
    Trotzdem war es keine Gegend, die Paula aus privaten Gründen hätte besuchen müssen. Zwar kannte sie zwei Frauen, die hier ein Häuschen gekauft hatten, aber nicht so gut, dass sie zu ihnen nach Hause eingeladen worden wäre. Es war auch kein Viertel, in dem sich Don Merrick gewöhnlich aufhielt. Deshalb überraschte sie dieser Treffpunkt mehr als sein Anruf und seine Einladung, dass sie ihn auf einen Drink treffen solle.
    Obwohl sich zwischen den beiden eine Freundschaft entwickelt hatte, die sich außerhalb des Arbeitsplatzes über ihre Dienstgrade hinwegsetzte, trafen sie sich selten privat und erzählten sich auch kaum vertrauliche Einzelheiten aus ihrem Leben. Oft tranken sie nach der Arbeit noch kurz etwas miteinander, aber beide hatten anderes zu tun, das den größten Teil ihrer freien Zeit in Anspruch nahm. Als er anrief und sie zu einem Drink einlud, wollte sie zunächst ablehnen. Sie hatte Freunde in einem Pub auf dem Land treffen wollen. Aber in Merricks Stimme war etwas angeklungen, das sie aufmerken ließ, deshalb sagte sie zu. Als sie jetzt vor einem hässlichen Pub anhielt, das so groß wie eine Scheune war, bedauerte sie es.
    An der Tür kam ihr ein Schwall verbrauchter Luft von Rauch, altem Bier und Männerschweiß entgegen. Die einzigen anderen Frauen im Pub hatten eine Nische

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