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Toedliche Worte

Toedliche Worte

Titel: Toedliche Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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für sich. Obwohl sie sich mächtig ins Zeug gelegt hatten, war es ihnen nicht gelungen zu verbergen, wie stark Armut und Kinder sie aufgerieben hatten. Einige der Männer am Tresen wandten sich nach Paula um und stießen ihre Freunde in die Rippen. »Komm mal hier rüber, Süße«, rief einer.
    »Träum weiter, alter Trottel«, murmelte Paula. Sie sah Merrick in einer Ecknische sitzen, wo er düster in ein halb leeres Glas Bier starrte. Seine Schultern hingen herab, und er hielt den Kopf gesenkt. Die Countrymusic im Hintergrund und den Lärm des Spielautomaten schien er überhaupt nicht wahrzunehmen. Paula ging zum Tresen hinüber, wobei sie die jämmerlichen Versuche der Gäste, ihre Aufmerksamkeit zu erregen, ignorierte, und holte für beide etwas zu trinken.
    Als ihr Schatten über den Tisch fiel, sah Merrick nicht einmal auf. Sie stellte die volle Flasche Newcastle Brown Ale neben sein Glas. »Hier«, sagte Paula und setzte sich auf die Bank neben ihn.
    »Danke«, seufzte er.
    Paula trank ihren Smirnoff Ice und fragte sich, was zum Teufel los war. »Also, da wären wir. Was liegt an, Don?«
    Merrick verschränkte die Arme vor der Brust. Er sah aus wie jemand, der nicht weiß, wo anfangen. »Warum sollte etwas Besonderes anliegen? Können wir uns nicht einfach auf ’n Drink treffen, wenn wir freihaben?«
    »Natürlich. Aber das hier ist ja in keinerlei Hinsicht unser normaler Treffpunkt. Und du sitzt da mit ’nem Gesicht wie ’n verregnetes Wochenende. Und weil ich bei der Kripo bin, schließe ich aus diesen beiden Tatsachen, dass etwas los ist. Du kannst mir entweder sagen, was es ist, oder wir können in diesem wunderschönen Lokal herumsitzen wie zwei Ölgötzen. Jetzt bist du dran.« Sie beugte sich vor und nahm seine Zigaretten. Die Flamme spiegelte sich in ihrem blondierten Haar, das sich von dem dunklen Holz der Nische leuchtend abhob.
    »Lindy hat mich rausgeworfen«, sagte er ohne Einleitung.
    Paula erstarrte und saß still, die Zigarette halb zum Mund geführt. Oh Mist , dachte sie. Jetzt wird’s schwierig .
    »Was?«
    »Ich war heute Nachmittag mit den Kindern schwimmen, und als ich zurückkam, hatte sie zwei Koffer gepackt. Sie sagte, ich solle verschwinden.«
    »Herrgott, Don«, erklärte Paula. »Das ist wirklich herzlos.«
    »Ohne Scheiß. Ich konnte nicht mal Krach schlagen, weil die Kinder da waren. Sie stand im Flur und sagte ihnen: Daddy muss wegen der Arbeit ein paar Tage wegfahren. Und das Gesicht, das sie dabei machte – als wollte sie mich zum Widerspruch herausfordern.«
    Paula schüttelte den Kopf und versuchte sich vorzustellen, wie das wohl für ihn gewesen war, aber sie schaffte es nicht. »Was hast du gemacht?«
    »Ich nahm meine Koffer und ging los. Hab mich in den Wagen gesetzt und bin ’n bisschen rumgefahren. Ich konnte es einfach nicht begreifen, weißt du? Ich habe versucht, Lindy anzurufen, aber sie nahm nicht ab. Ich hab irgendwo geparkt und bin einfach im Stadtzentrum herumgeirrt. Dann hab ich dich angerufen.« Er nahm sein Glas und trank den Rest in einem Zug aus.
    »Das tut mir echt leid, Don.«
    »Mir auch, Paula.« Er nahm die volle Flasche, goss sie vorsichtig in sein Glas und beobachtete gespannt, wie das Bier sich klärte und eine Schaumkrone bildete.
    »Weißt du, wieso es passiert ist?«
    Ohne Worte kam zunächst nur ein dumpfes Geräusch aus seiner Kehle. »Wieso kommt so was immer bei uns von der Polizei vor?«
    »Wegen der Arbeit«, sagte Paula bedeutungsschwer.
    »Wegen der Arbeit«, stimmte Merrick zu. »Du weißt ja, wie es in den letzten paar Wochen gewesen ist. Wir arbeiten Tag und Nacht, und dann geht man noch ’n Bier trinken, um sich zu entspannen, weil man Abstand gewinnen muss. Man kann nicht nach Hause fahren, bevor man eine gewisse Distanz zwischen sich und den Tag gebracht hat, sonst nimmt man einfach den ganzen Mist mit. Und wenn man dann endlich nach Hause kommt, wird einem die kalte Schulter gezeigt. Entweder das oder: ›Du bist nie da, du siehst nie die Kinder, du hast keine Ahnung, wie es ist, wenn man mit allem fertig werden muss, da könnte ich geradeso gut alleinerziehende Mutter sein.‹ Seit ich befördert worden bin, geht es die ganze Zeit so, gnadenlos.«
    »Habt ihr versucht, darüber zu sprechen?«
    Merricks Mund zuckte traurig. »Ich kann nicht gut über Gefühle reden, Paula. Ich bin ein Kerl. Ich hab zu erklären versucht, wie es ist, und dass das, was ich tue, wichtig ist, aber sie verdreht einfach alles, und dann klingt es,

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