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Toedliche Worte

Toedliche Worte

Titel: Toedliche Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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nicht groß genug gewesen, um seinen Appetit zum Versiegen zu bringen. Er hatte lediglich dazu geführt, dass er ihn woanders stillte.
    Statt in Temple Fields auf Jagd zu gehen, hatte Hart sein Revier etwas weiter weg nach Manningham Lane in Bradford, Whalley Range in Manchester und jetzt Chapeltown in Leeds verlegt. Soweit Sam herausbekommen hatte, nahm er sich Frauen, die eine Wohnung hatten, statt sie zu einer Nummer in seinem glänzenden schwarzen Geländewagen einzuladen. Bei zwei Gelegenheiten hatte er sich, nachdem er in einem Restaurant ein indisches Essen eingenommen hatte, noch ein zweites Mal verwöhnen lassen.
    Dass Hart anscheinend süchtig nach Sex mit Prostituierten war, störte Evans nicht in moralischer Hinsicht. Er hatte im Lauf der Jahre selbst mit einigen geschlafen. Doch er fragte sich, was wohl in Harts Kopf vorging, und konnte jedenfalls Munition sammeln, die er vielleicht einmal gut gebrauchen konnte. Es war allgemein bekannt, dass Sexualtäter, die auch Morde begingen, sich oft mit Prostituierten abgaben, und auch, dass es die Menschen abstumpfte, wenn sie ständig extremem Verhalten ausgesetzt waren. Hart entwickelte sich langsam und vielversprechend zu einem Verdächtigen, selbst wenn Carol Jordan ihn schon abgeschrieben hatte.
    Evans war entschlossen, seine Zuteilung zum Major Incident Team, der Elitetruppe, als den nächsten Schritt auf seiner Karriereleiter zu nutzen. Und wenn es, um dies zu erreichen, nötig würde, Carol Jordan als pflichtvergessen hinzustellen, dann war es eben so.
    Er war schließlich derjenige, der das Wissen hatte. Und Wissen war Macht.

    Das Klopfen an der Tür war das gewöhnliche, flüchtige Pochen des Anstaltspersonals. »Herein«, rief Tony.
    Einer der Pfleger steckte den Kopf durch die Tür. »Sie wollten hier einen Patienten sprechen, stimmt das? Nicht in einem Besprechungszimmer?«
    »Das ist richtig.«
    Der Pfleger zog skeptisch die Augenbrauen hoch, als wolle er sich von jeder Verantwortung für das, was geschehen könnte, lossagen. »Dann gehe ich und hole ihn.«
    Während Tony wartete, überlegte er, welche Strategie er anwenden wollte. Das Denken in ungewohnten Bahnen war seine Spezialität, aber normalerweise behelligte er schwache, verletzliche Menschen nicht mit seinen ausgefallenen Ideen. Er brauchte sich die Gegenargumente kaum vor Augen zu führen, so stark waren sie: Es war unprofessionell, es konnte den Patienten gefährden, und es verstieß gegen alle Therapieprinzipien, von einem Patienten etwas zu verlangen, das keinen direkten Bezug zu seiner Behandlung hatte. Auf der anderen Seite hatte er dagegen seine eigene Argumentation aufgestellt. Die Möglichkeit, Leben zu retten, sollte schwerer wiegen als alle anderen Überlegungen. Dem Patienten würde keine Gefahr für Leib und Leben drohen, weil er unter Aufsicht war. Das Beste, was er für diesen speziellen Patienten tun konnte, wäre, sein Selbstwertgefühl zu stärken. Und ihm eine Aufgabe zu übertragen, die er bewältigen konnte, wäre eine gute Methode, dies zu erreichen. Natürlich konnte man darüber streiten, ob diese Aufgabe lösbar war, also würde Tony es so darstellen müssen, dass er es für fast unmöglich hielt und es um die allerletzte Chance ging.
    Und natürlich stimmte das auch.
    Es blieb keine Zeit für weitere Überlegungen. Der Pfleger stieß die Tür auf und trat zurück, damit Tom Storey eintreten konnte. Er machte zwei unsichere Schritte über die Schwelle und blieb dann stehen. Seine gebückte Haltung war noch ausgeprägter, fiel Tony auf. Storey sah sich mit leichter Verwirrung auf seinen ruhigen Gesichtszügen um. Der Blick seiner grauen Augen schweifte über die Regale, die zum Bersten mit Büchern, Boxen mit Akten und gepolsterten Umschlägen mit abgestoßenen Ecken gefüllt waren. Schließlich ruhte er auf Tony, der sich mit seinem Stuhl herumgedreht hatte, so dass er mit dem Rücken zu dem mit Unterlagen übersäten Schreibtisch und dem Raum zugewandt saß. »Kommen Sie herein, Tom«, sagte Tony und stand auf. »Nehmen Sie Platz.« Er wies auf zwei niedrige Sessel, die in einer Ecke standen.
    Storey runzelte die Stirn. »Wir treffen uns normalerweise nicht hier«, sagte er unsicher.
    »Nein, das tun wir nicht«, sagte Tony.
    »Heißt das, dass Sie schlechte Nachrichten für mich haben?«
    Tony fragte sich flüchtig, ob ein Gehirntumor, den man operieren konnte, eine gute oder schlechte Nachricht für einen Mann in Tom Storeys Lage war. »Ich habe eine Nachricht

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