Toedliche Worte
Hintergrundgeräusche, den Straßenlärm der Motoren und das tiefe, gedämpfte Brausen des Stadtlebens übertönte.
Er dachte über die Aufgabe nach, die er Tom Storey gestellt hatte. Verlangte er zu viel von dem schwer geschädigten Mann? Würde Storey sich so bedrängt fühlen, dass er wieder durchknallte? Tony glaubte es nicht, aber genau wusste er es nicht. Er hatte diesmal deutlich die Grenzen überschritten und wusste, wie schlecht er sich fühlen würde, wenn dies irgendeine ungünstige Auswirkung auf Storey hätte.
Aber er ahnte, dass sich schlecht zu fühlen sein geringstes Problem sein würde. Aidan Hart würde explodieren, wenn er herausfand, was Tony getan hatte. Es stand völlig im Widerspruch zu jedem therapeutischen Prinzip der reinen Lehre, aber nach Tonys Ansicht war diese Lehre von Menschen aufgestellt worden, die mindestens genauso viele Probleme hatten wie die, die sie zu behandeln behaupteten. Er wusste das genau, denn auch er gehörte zu ihnen. Seine eigenen Schwierigkeiten mit privaten Beziehungen jeder Art, die Impotenz, die ihn fast sein ganzes Erwachsenenleben geplagt hatte, die Unfähigkeit, seine Gefühle für Carol in irgendeine praktikable Form zu bringen, all diese Dinge waren Zeichen für seine Nähe zu den gestörten Persönlichkeiten, um die er sich in seiner Rolle als behandelnder Arzt kümmerte.
Wenigstens wusste er, dass er das mit einiger Kompetenz zu tun in der Lage war. Sein Einfühlungsvermögen für ihre Störungen ermöglichte es ihm, brauchbare Programme für ihre Behandlung auszutüfteln. Wenn ihn manchmal ein unangenehmes Gefühl der Komplizenschaft mit ihnen beschlich, war das ein erträglicher Nebeneffekt.
Aber mit seinen Schuldgefühlen gegenüber Carol konnte er sich nicht aussöhnen. Im Moment schien ihm, die beste Art, sie bei der Genesung zu unterstützen, sei, ihr bei der Arbeit zu helfen. Der Schlüssel dazu war Derek Tyler. Und das half ihm sehr dabei, vor sich selbst den Prozess zu rechtfertigen, den er in Bewegung gesetzt hatte.
»Oh, Derek, Derek, Derek. Du sehnst dich so nach Stille, weil du dann immer noch die Stimme hörst«, sagte er laut und setzte damit eine Unterhaltung mit sich selbst fort, die er führte, seit er die Anstalt verlassen hatte. »Was tut die Stimme?« Er wartete, dachte nach und horchte auf sein Gefühl, bevor er antwortete. »Sie beruhigt dich. Sie sagt dir, dass das, was du getan hast, gut war. Wenn du die Stimme nicht hören könntest, müsstest du vielleicht in Betracht ziehen, dass das, was du getan hast, schlecht war. Also musst du die Stimme hören. Du sprichst nicht, weil auf diese Weise niemand mit dir spricht. Wer ist sie also, die Stimme?«
Er bog von der größeren Straße in eine Seitenstraße ab. Erst als er keinen Parkplatz finden konnte, merkte er, dass er zu dem falschen Haus gekommen war. Er war in der Straße, wo er gewohnt hatte, als er zuvor in Bradfield gearbeitet hatte. Sein Autopilot hatte ihn zu einem ganz anderen Stadtteil fahren lassen.
Jackie Mayall kam in die Hotelhalle. Es war keine besonders schöne Rezeption, kaum mehr als ein großes Zimmer mit einer Nische, die durch einen brusthohen Tresen abgetrennt wurde. Der Teppichboden ließ die Gäste sofort ahnen, dass ihre Schuhe daran kleben bleiben würden. Sie beugte sich über den Tresen und streckte sich nach einem Schlüssel. »Ich bin’s, Jackie«, rief sie, um die gedämpften hektischen Geräusche von Sky Sport zu übertönen, die aus einem Zimmer links von dem schmutzigen Resopaltisch kamen. »Ich hab die Vierundzwanzig genommen.«
»Alles klar. Das wär dann zehn nach sechs«, antwortete eine Stimme. »Ich schreib’s auf, also versuch mich nicht zu verarschen.«
»Sonst noch was«, murmelte sie und ging auf die schmale Treppe mit dem abgewetzten Teppich zu, die zu dem Zimmer im zweiten Stock hinaufführte, das sie nur allzu gut kannte. Sie schloss auf und versuchte ihre Umgebung nicht wahrzunehmen. Das Zimmer war so wenig einladend für Sex, wie man sich nur vorstellen konnte. Es hätte zur Definition der Wörter schmuddelig, dreckig und heruntergekommen herhalten können. Eine abgenutzte Decke aus blauem Frottierplüsch lag auf dem durchhängenden Bett. Das billige Furnier der Frisierkommode war zerkratzt und blätterte ab. Ein Stuhl mit hoher Lehne stand neben einem schmutzigen Waschbecken.
Jackie betrachtete sich in dem fleckigen Spiegel. Es war an der Zeit, dass sie ihr Haar färbte. Dass man einen Zentimeter der dunklen Haarwurzeln
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