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Toedliche Wut

Toedliche Wut

Titel: Toedliche Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Castillo
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Rückgrat verletzt und sie kann deshalb die Beine nicht bewegen.
    »Mrs Mast, Sie müssen liegen bleiben, die Sanitäter sind gleich da.«
    Mit Hilfe der linken Hand hievt sie sich auf die Seite, ein Stöhnen entfährt ihren zusammengepressten Lippen, dann rollt sie auf den Rücken. Sie sucht meinen Blick, und mir wird klar, dass sie bei Bewusstsein ist. Sie weiß, dass sie schwer verwundet ist – und dass ich hier bin.
    »Wer hat Ihnen das angetan?«, frage ich.
    Sie starrt mir in die Augen. Ihr Mund geht auf, zwischen ihren Lippen bildet sich eine Blase aus Speichel und Blut. Sie atmet schwer, flüstert etwas Unverständliches, ein Zucken fährt durch ihren Körper, dann noch eins, und sie erschlafft. Ich höre die Sanitäter, aber sie kommen zu spät.
    »Sie ist tot«, sagt Tomasetti.
    Ich sehe, wie ihre Augen blicklos werden, und mache mir klar, dass sie mich erst vor wenigen Minuten töten wollte. Ich sollte dankbar sein, dass ich noch lebe und sie tot ist. Trotzdem ist es immer schwer, einen Menschen sterben zu sehen. Außerdem hinterlassen Irene und Perry Mast viel zu viele offene Fragen.
    »Kate.«
    Tomasettis Stimme dringt wie aus weiter Ferne zu mir, ich verstehe nicht, was er sagt, drehe mich zu ihm um und tue, als wäre ich anwesend.
    »Der Tunnel, Kate. Wo ist der Eingang?«
    Neben ihm steht der Deputy des Sheriffs und spricht in sein Ansteckmikro, doch sein Blick ruht auf mir.
    »Keller«, sage ich. »Da entlang.«
    Mit zittrigen Beinen gehe ich voraus. Die Kellertür steht offen, das Holz ums Schloss ist zersplittert. Offenbar hat sich Perry Mast mit dem Gewehr ins Freie geschossen. An der Tür bleibe ich stehen und sehe die Treppe hinunter. Es kommt mir wie Stunden vor, dass ich dort unten war, dabei sind nur Minuten vergangen.
    Ich gehe die Treppe hinunter, wieder wird es mit jedem Schritt kälter, und der Geruch von morschem Holz und feuchter Erde umhüllt mich wie eine schmutzige, nasse Decke. Durch ein Fenster in Bodenhöhe fällt graues Licht, doch nicht genug, um die gespenstische Atmosphäre zu vertreiben.
    Ich gehe zur Einstiegsluke, wobei der Erdboden meine Stiefelgeräusche verschluckt. Tomasetti ist neben mir, leuchtet mit der Taschenlampe hin und her. Der Deputy hinter uns atmet schwer, auch sein Adrenalinpegel ist hoch. Keiner weiß, was uns dort unten erwartet. Ob sich noch andere Leute dort aufhalten, ob sie bewaffnet sind, uns angreifen werden. Wir wissen nicht, ob die Mädchen noch leben oder ob Perry Mast sie getötet hat, bevor er am Ende die Waffe gegen sich selbst gerichtet hat.
    »Im Tunnel gibt es Strom«, sage ich, als die Einstiegsluke im Schein der Taschenlampe auftaucht.
    »So viel zur Einhaltung amischer Regeln«, knurrt Tomasetti.
    »Ich hab das Kabel durchtrennt.«
    Wir erreichen die Luke. Die Sichel liegt etwa einen Meter weit weg neben einer der Klappen, die andere hängt gefährlich schief an nur einer Angel.
    »Er hat die Angeln weggeschossen«, kommentiert Marcus das Offensichtliche.
    Tomasetti leuchtet mit der Taschenlampe in den Tunnel. »Was zum Teufel ist das?«
    »Das Haus war mal Teil der Underground Railroad«, sagt Marcus und leuchtet ebenfalls hinab.
    »Tatsächlich?«, sagt Tomasetti.
    »Vor ein paar Jahren gab’s in der Zeitung einen Artikel darüber.«
    »Wussten Sie von dem Tunnel?«, fragt Tomasetti.
    »Davon stand nichts drin.«
    »Jetzt wissen Sie auch, warum«, sage ich.
    Der Deputy lässt den Lichtstrahl über die Backsteinwände wandern. »Ziemlich gruselig, wenn Sie mich fragen.«
    Der Blick in das Dunkel jagt mir einen Angstschauer über den Rücken. Mein Herz schlägt wie eine Trommel. Ich habe absolut kein Bedürfnis, wieder da runterzugehen, möchte nicht noch eine Überraschung erleben. Wenn Mast seine Frau erschossen hat, ist es gut möglich, dass auch die Mädchen tot sind …
    »Wir brauchen einen Generator und Arbeitsscheinwerfer.« Tomasetti sieht mich an. »Kümmerst du dich darum, Chief?«
    Er will mich verschonen, doch sosehr ich seine Intention zu schätzen weiß, ich könnte niemals hier oben zurückbleiben.
    »Ich muss da runter«, sage ich.
    »Dann los.« Die Waffe in der Hand, steigt er die Treppe hinab.
    Der Abstieg in den Tunnel kommt mir vor, als würde ich bei lebendigem Leibe von einem feuchten schwarzen Maul verschluckt. Selbst mit dem Licht von zwei großen Taschenlampen ist es noch gruselig düster.
    Keiner spricht aus, was er denkt – nämlich dass wir die Geiseln tot auffinden werden. Dass Mast diesen kleinen

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