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Toedliche Wut

Toedliche Wut

Titel: Toedliche Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Castillo
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Aber ich habe das Entsetzen in den Gesichtern der Mädchen gesehen und die kalte Entschlossenheit in den Augen von Perry Mast. Und wenn wir nicht bald etwas unternehmen, wird er sie umbringen.
    Nach wenigen Schritten hält mich Tomasetti am Arm fest. »Warte.«
    Ich drehe mich zu ihm um, habe Mühe, meine Wut und meine Angst unter Kontrolle zu halten, die mir das Atmen schwermachen.
    »Kate.« Er sagt den Namen fast grob und vorwurfsvoll. »Diesmal müssen wir uns an die Dienstvorschriften halten.«
    »Manchmal hasse ich die beschissenen Dienstvorschriften.«
    »Willkommen bei der Polizei«, erwidert er mitleidlos.
    Ich starre auf die Baumreihe entlang des Weges, erwidere nichts.
    »Komm mit«, sagt er kurz darauf.
    Ich lasse mich von ihm zur Rückseite des Tahoe führen, wo er mich mit dem Rücken an die Tür drückt und sich meinen Hals ansieht. »Das sind Verbrennungen zweiten Grades.«
    Ohne mich zu fragen, macht er die beiden oberen Knöpfe meiner Bluse auf und schiebt den BH-Träger von der Schulter, ein viel zu intimes Verhalten an diesem Ort, mit zwei Polizisten in unmittelbarer Nähe. Doch in seinem Handeln liegt nichts Anzügliches, und ich lasse ihn gewähren.
    »Es tut nicht weh«, sage ich.
    »Das wird es aber, sobald dein Adrenalinpegel sinkt.«
    Er berührt meinen Arm, hebt ihn an, damit ich draufsehe. Entsetzt blicke ich auf ein großes Stück hellrosa Fleisch, das überzogen ist mit Blasen.
    Tomasetti wendet sich ab, zieht den Schlüssel aus der Hosentasche und öffnet den Kofferraum, holt den Erste-Hilfe-Kasten hervor und fängt an, darin zu suchen.
    Als er sich mir schließlich zuwendet, bin ich in Gedanken schon wieder bei den Mädchen im Tunnel. »Die Schüsse kamen aus dem Schlachtschuppen«, sage ich. »Er ist also zurückgegangen und an der Kammer vorbeigekommen, wo die Mädchen festgehalten werden.«
    Tomasetti sagt nichts. Er wäscht seine Hände mit Alkohol und öffnet einen weiteren Knopf meiner Bluse. Ich registriere kaum, wie er einen kleinen Beutel mit Gel aufreißt und den Inhalt auf meine Wunde aufträgt. Doch allmählich spüre ich den brennenden Schmerz, der sich vom Schlüsselbein über Oberarm und Brust zieht, und bin fast dankbar dafür, denn einen Moment lang denke ich mal nicht an die Situation unter der Erde.
    »Du hast mir höllische Angst eingejagt«, sagt er nach einer Weile.
    »Tut mir leid.«
    »Tut es dir nicht.« Doch er beugt sich vor und gibt mir einen schnellen, festen Kuss.
    Plötzlich plagt mich mein schlechtes Gewissen, weil ich ihm das angetan habe, wo er nach dem Tod seiner Frau und Kinder schon so viel durchgemacht hat. Da holt mich ein Gewehrschuss zurück in die Gegenwart.
    Instinktiv gehen wir in die Hocke, sehen zum Haus. Zuerst glaube ich, der Deputy oder der Trooper haben geschossen, doch auch sie blicken sich suchend um.
    »Wo kam der her?«, brummt Tomasetti.
    »Aus dem Haus, glaube ich.«
    Ein zweiter Schuss folgt.
    »Das Haus!«, ruft der Deputy hinter dem Wagen des Troopers hervor.
    Von drinnen ertönt der Schrei einer Frau. Mast hat eines der Mädchen hochgebracht, denke ich sofort, um es als Druckmittel oder als Schutzschild zu benutzen. Oder um es vor unseren Augen zu töten und uns so sein weiteres Vorgehen zu verdeutlichen.
    Aber dann wird mir klar, dass der Schrei nicht von einem jungen Mädchen gewesen sein kann, dafür war er zu tief, zu kehlig. »Das war Irene Mast«, höre ich mich sagen.
    Tomasetti sieht mich stirnrunzelnd an. Er weiß, was ich damit sagen will. »Was zum Teufel treibt der Verrückte da drin?«
    Ein dritter Schuss fällt.
    Dann ist es still. Wir warten. Zehn Minuten vergehen, die mir wie Stunden vorkommen. Der Regen wird jetzt stärker, doch das scheint niemand zu bemerken. Ich höre gleichbleibend laute Sirenen, die Feuerwehr und der Krankenwagen stehen also unten am Weg.
    »Da ist er!«
    Ich weiß nicht, wer das gerufen hat, drehe mich um und sehe Perry Mast aus der Hintertür treten, das Gewehr in der rechten Hand, meine .38er in der linken.
    Der Trooper hält sich ein Megaphon vor den Mund: »Bleiben Sie stehen und legen Sie die Waffen auf den Boden!«
    Mast starrt wie in Trance in unsere Richtung. Sein Gesichtsausdruck ist entspannt und ausdruckslos, bar jeder Gefühlsregung. Er ist übergeschnappt, total wahnsinnig. Es hat etwas Schauriges, einen amischen Mann in so einem Zustand zu sehen. Und zu wissen, was er getan hat – wozu er fähig ist.
    »Runter mit den Waffen!«, sagt der Trooper. »Auf den Boden!«
    Perry

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