Toedliche Wut
geht’s.«
Geduckt und die Waffen im Anschlag, sprinten wir zum Streifenwagen der Highway Patrol, der uns am nächsten steht. Der Trooper ist schon ausgestiegen, hat aber die Tür als zusätzliche Deckung offen stehen lassen. Er hat eine kugelsichere Weste an, die Waffe in der Hand und bedeutet uns mit dem Kopf, zur Rückseite seines Fahrzeugs zu kommen.
»Wo ist der Schütze?«, fragt er und öffnet den Kofferraum.
Wir kauern uns hinter den Kofferraum, und ich gebe dem Trooper eine kurze Zusammenfassung der Ereignisse. »Er hat ein Gewehr und hält drei Geiseln.«
»Und die Frau?«
»Liegt gefesselt in der Küche.« Ich schüttele den Kopf. »Aber wenn Mast durch die Luke im Keller gekommen ist, hat er sie wahrscheinlich befreit.«
»Okay, Mist.« Der Trooper holt zwei kugelsichere Westen aus dem Kofferraum, gibt sie mir und dem Deputy. »Sieht aus, als können wir die hier gebrauchen.«
Als ich die Weste anziehe und sie um die Taille festmache, kommt Tomasetti auf uns zu, das Handy am Ohr. Er hält die Pistole nach unten gerichtet, sieht aber weder zum Haus noch zum Schlachtschuppen. Er starrt mich an. Sein Gesicht ist absolut emotionslos, doch wir sehen uns wie durch ein Vakuum an, als würde in dem Raum zwischen uns nichts anderes existieren.
»Ich kann dich keine zehn Minuten alleine lassen, oder?«, knurrt er.
Ich versuche ein Lächeln, doch es gelingt mir nicht. »Sieht ganz so aus.«
Er wendet sich an den Trooper. »Verhandlungsführer und mobiles Einsatzkommando sind auf dem Weg. Ankunft in etwa dreißig Minuten.«
»Ich hab ein Spezialeinsatzkommando angefordert.« Der Trooper sieht auf seine Uhr. »Das kann aber dauern.«
Ich erzähle den Männern von den Geiseln, die ich zurücklassen musste. Sie hören mir aufmerksam und mit grimmigem Gesicht zu.
»Sie haben Glück gehabt«, sagt der Trooper.
Aber so fühle ich mich nicht. Dafür ist mein schlechtes Gewissen zu groß, weil ich die Mädchen schutzlos einem Wahnsinnigen überlassen habe. »Ich fürchte, er bringt sie um«, sage ich.
»Wir sind nicht dafür ausgerüstet, runter in den Tunnel zu gehen«, erklärt der Trooper.
»Wie war Masts Gemütsverfassung?«, fragt Tomasetti.
»Entschlossen. Kalt, ruhig.« Gnadenlos geht mir noch durch den Kopf, doch das brauche ich nicht mehr zu sagen.
Der Trooper blickt zum Haus. »Und seine Frau?«
»Komplett verrückt.«
Die beiden Männer sehen sich an, und sie denken bestimmt das Gleiche wie ich: Gehen wir rein und holen die amische Frau da raus? Oder sollen wir auf den Verhandlungsführer und das mobile Einsatzkommando warten?
Das Funkgerät des Troopers meldet sich knisternd, er drückt auf Empfang und geht ein paar Schritte weg.
Tomasetti sieht mich an. »Ich hab dir gesagt, du sollst nicht in den Tunnel gehen.«
»Du weißt doch, wie das ist, wenn man mir Anweisungen gibt.«
»Als wolle man Öl mit Wasser vermischen.« Doch sein Gesicht wird weicher. »Ist mit dir alles in Ordnung?«
»Ich habe den Mädchen versprochen, dass ich komme und sie hole«, sage ich.
»Wir werden sie befreien.« Er mustert mich genau, will wissen, ob ich verletzt bin, entdeckt die Brandwunden an meinem Hals und sieht mir in die Augen. »Wie ist das passiert?«
Ich möchte ihm antworten, dass mir die Verbrennungen egal sind. Was mich krank macht, ist die Angst, dass Mast die Mädchen tötet … »Irene Mast hat einen Topf mit heißem Wasser nach mir geworfen.«
Sein Mund wird zu einem Strich, und er zeigt auf den Tahoe. »Ich hab einen Erste-Hilfe-Kasten im Kofferraum. Da ist vermutlich auch Brandsalbe drin.«
»Ich will nicht, dass so viel Aufhebens um mich gemacht wird.«
Er stöhnt. »Kate.«
»Die Mädchen sind wie Tiere an die Wand gekettet«, flüstere ich. »Sadie ist da unten.«
Er wartet, als wüsste er, dass ich noch nicht fertig bin. Er kennt mich einfach zu gut.
»Ihnen bleibt nicht mehr viel Zeit«, sage ich.
»Du kannst nicht wie eine Anfängerin da runtergehen.«
»Mast weiß, dass es vorbei ist. Er wird sie töten.«
»Wenn wir runter in den Tunnel gehen, wird er dich töten. Oder mich.« Er zeigt mit dem Daumen auf den Trooper. »Oder den jungen Polizisten da drüben. Wäre das besser?«
»Wir sind für solche Situationen ausgebildet.«
»Aber nicht dazu, wahnwitzige Risiken einzugehen.«
Ich wende mich ab, gehe zum Streifenwagen des Troopers, ohne zu wissen, warum. Mir ist klar, dass ich unvernünftig bin und er recht hat. Es wäre vermessen, einfach so in den Tunnel zu gehen.
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