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Toedliche Wut

Toedliche Wut

Titel: Toedliche Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Castillo
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nichts rückgängig machen kann, auch wenn man es noch so sehr will.
    Ich denke an Annie King und frage mich, ob sie mit dem Leben hier bei ihrer Familie zufrieden war. Ob sie sich in einer so eng verbundenen Gemeinschaft wohl gefühlt hat. Oder war sie so wie ich? Immer unzufrieden und mit einer unstillbaren Sehnsucht nach Dingen, die sie nie haben würde? Wo sie wohl jetzt gerade ist? Ob sie Angst hat und sich wünscht, wieder hier bei ihren Brüdern und Schwestern zu sein, in der Monotonie des Landlebens? Ich frage mich, ob sie, so wie ich, in vielen Jahren zurückblicken wird und sich wünscht, einiges anders gemacht zu haben?
    »Sieht aus, als wären sie nicht allein.« Tomasettis Stimme reißt mich aus meinen Gedanken.
    Zwei amische Männer in blauen Arbeitshemden, dunklen Hosen mit Hosenträgern und Strohhut auf dem Kopf stehen vor der Scheunentür und beäugen uns. »Das sind wahrscheinlich Nachbarn, die bei der Suche helfen oder sich um die Tiere kümmern«, erkläre ich.
    Ich folge seinem Blick. Ein Stück von uns entfernt, versuchen zwei amische Mädchen, einen großen Hund in eine verbeulte Waschwanne zu bugsieren. Sie sind etwa zehn Jahre alt und tragen das mausbraune Haar im Nacken zu einem Knoten gebunden. Ihre Füße sind nackt und schmutzig, und ihre schlichten grünen Kleider haben auch schon bessere Tage gesehen. Angesichts der Einfachheit und Unschuld dieser Szene muss ich lächeln.
    Alle Kinder sind unschuldig, doch amische Kinder sind es auf eine besondere Weise. Sie glauben, dass die Welt gut ist, dass die Eltern nie Fehler machen, alle Menschen, die sie kennenlernen, Freunde sind, und man nur inbrünstig genug beten muss, damit Gott einen erhört. Umso erschütternder ist es dann für sie, wenn sie erfahren, dass nichts davon stimmt.
    Einen Moment lang beobachten Tomasetti und ich die Kinder, jeder ist in seine eigenen Gedanken vertieft. Plötzlich wird mir bewusst, dass diese Mädchen in dem Alter sind, in dem seine beiden Töchter jetzt wären, hätte ein Profikiller sie nicht brutal ermordet – um ein Exempel zu statuieren, was Polizisten passieren kann, die ihm in die Quere kommen. Das ist jetzt drei Jahre her, und ich weiß, dass Tomasetti noch heute gegen eine bodenlose Verzweiflung ankämpft, die ihn immer wieder in den Abgrund zu ziehen droht. An den meisten Tagen gewinnt er den Kampf, glaube ich. Doch manchmal sehe ich in seinen Augen die Finsternis, die ihn umgibt.
    Er wirft mir einen Seitenblick zu. »Ich glaube, der Hund gewinnt.«
    »Ich setze auf die Mädchen.« Ich lächle ihn an.
    »Heißt das, ich soll die Entschlossenheit eines amischen Mädchens nicht unterschätzen?«
    »Schon gar nicht, wenn sie eine Schwester hat, die ihr hilft. Der Hund hat keine Chance. So oder so, er kriegt sein Bad.«
    Tomasetti parkt hinter dem Streifenwagen neben einem Lattenzaun, wir steigen aus und machen uns schweigend auf zur Veranda, wo wir auf Sheriff Goddard warten.
    »Verdammt schwül heute.« Noch bevor der Sheriff anklopfen kann, geht die Tür auf, und ein kleiner Junge erscheint, der mir ungefähr bis zur Taille reicht. Er hat blonde Haare, blaue Augen, einen stumpfgeschnittenen, leicht schiefen Pony, und seine kleine Nase ist voller Sommersprossen.
    »Hallo, kleiner Mann, ist deine Mama oder dein Papa zu Hause?«
    Der Junge stößt einen quietschenden Schrei aus und rennt zurück ins Haus.
    »Sie kommen gut an bei Kindern«, sagt Tomasetti.
    Der Sheriff wirft uns einen Seitenblick zu. »Bei Frauen auch.« Und dann an mich gewandt: »Nichts für ungut.«
    Ich verkneife mir ein Lächeln. »Schon okay.«
    In dem Moment erscheint ein Mann im Vorraum und kommt zur Tür. Er ist blond und groß – weit über einen Meter achtzig –, mit muskulösen Schultern und einem kleinen Bauch, die verraten, dass er sowohl körperlich viel leistet als auch gerne gut isst. Ich schätze ihn auf Mitte vierzig, und der bis auf den Bauch reichende braune Bart bedeutet, dass er verheiratet ist. In der schwarzen Hose mit Hosenträgern und dem weißen Hemd mit Weste ist er eine imposante Erscheinung.
    Seine pechschwarzen, onyxfarbenen Augen unter den dichten Brauen registrieren unser Erscheinen ohne jede Emotion. »Kann ich Ihnen helfen?«, fragt er, macht aber keine Anstalten, uns hereinzubitten.
    »Ich grüße Sie, Mr King«, ergreift Sheriff Goddard das Wort. »Wir würden mit Ihnen gern über Ihre Tochter sprechen.«
    Der amische Mann blickt von Goddard zu Tomasetti und zu mir, doch sein Gesicht bleibt

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