Toedliche Wut
ihm das sehr bewusst ist.
Er zeigt in die Richtung, aus der wir kommen. »Sie müssen zurückfahren und die Straße durch die Stadt nehmen.«
Tomasetti zückt seinen Dienstausweis. »Wir sind vom BCI.«
Der Mann wirkt augenblicklich erleichtert. »Ich hatte gleich das Gefühl, dass Sie irgendwie offiziell aussehen.« Lächelnd streckt er die Hand aus. »Ich bin Sheriff Bud Goddard.«
Tomasetti stellt uns vor, wobei ich ihm meinen befristeten BCI-Ausweis zeige.
Goddard schüttelt meine Hand ein wenig zu heftig, ganz offensichtlich ist er dankbar über unser Kommen. »Sie sind die amische Polizeichefin, die vor Jahren den Serienmörder gefasst hat.« Seine Stimme ist tief und melodisch wie die eines Bassbaritons.
»Ehemals amisch«, korrigiere ich ihn. »Agent Tomasetti meinte, ich könnte Ihnen vielleicht nützlich sein.«
»Hoffentlich, denn die Amischen bleiben lieber unter sich.« Er zeigt zum Tatort, wo gerade ein Deputy in sein Mobiltelefon spricht. Beim Anblick des dunklen Flecks auf der Straße, der wie ausgelaufenes Motoröl aussieht, zucke ich zusammen, denn ich weiß, das ist kein Öl. »Sobald wir hier fertig sind«, sagt Goddard, »suche ich die Familie auf, die haben nämlich kein Telefon. Wäre nett, wenn Sie mitkommen würden. Amische zu befragen ist ’ne echte Qual, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
Seine Worte treffen mich nicht direkt, eher wie alberne Irrläufer, und doch verletzen sie meine Gefühle. Auch wenn er recht hat, bin ich gegen Verallgemeinerungen.
Tomasettis Blick geht zur Fahrbahn. »Wer hat den Fleck entdeckt?«
»Ein Autofahrer, vor etwa einer Stunde. Er hat eine Tasche am Straßenrand liegen gesehen und dann beim Aussteigen das Blut. Da er von dem vermissten Mädchen gehört hatte, hat er die Polizei angerufen.«
»Das ist eine Menge Blut«, sage ich. Zu viel, flüstert es in meinem Hinterkopf.
Der Sheriff verzieht das Gesicht. »Wenn es wirklich das Blut des Mädchens ist, dann muss es schwer verletzt oder tot sein. Aber es gibt auch ’ne Menge Wild in der Gegend, andauernd wird irgendein Tier angefahren. In der Umgebung haben wir zwar keinen Kadaver gefunden, aber es kann natürlich auch verletzt weggelaufen sein. Haben Sie etwas dabei, um zu testen, ob es menschliches oder tierisches Blut ist?«
»Nicht dabei, aber ich sag der Spurensicherung Bescheid, dass sie einen Schnelltest mitbringen sollen, mit dem das sofort festgestellt werden kann«, sagt Tomasetti.
»Das wäre äußerst hilfreich. Dann wissen wir wenigstens, womit wir es zu tun haben.« Goddard sieht zu dem Blutfleck und schüttelt den Kopf. »Wir gehen davon aus, dass die Tasche dem vermissten Mädchen gehört. Bei dem ersten Gespräch haben die Eltern erwähnt, dass sie eine bei sich hatte. Wir werden sie ihnen zeigen und erfahren, ob es die von ihrer Tochter ist.«
Als hätten wir uns wortlos abgesprochen, steuern wir alle drei gleichzeitig die Blutlache an. Im Wald um uns herum vibriert der vielstimmige Chor der Vögel, Zikaden und anderen Insekten. Der Ruf eines Kardinals bricht sich an dem dicken Blätterdach über uns. Die Luft ist still und schwer und riecht nach feuchtem Laub. Je näher wir dem Blut kommen, desto eindringlicher ist das Gesumme der Fliegen, die sich daran laben, und der metallische Geruch.
Die schwarzrote Lache hat einen Durchmesser von etwas über einem Meter und ist – bis auf ganz innen – schon getrocknet. Mindestens ein Fahrzeug ist drübergefahren und hat einen deutlichen Reifenabdruck hinterlassen, um den die Spurensicherung sich kümmern wird. Aber ich gehe davon aus, dass er von einem Verkehrsteilnehmer stammt, dem die Blutlache schlichtweg nicht aufgefallen ist. Auch ein kleines Tier hat an dem Blut geleckt und dabei Spuren seiner Pfoten hinterlassen.
In dem dämmrigen Licht hier wirkt die Szene noch makabrer, als sie schon ist. Wie der Sheriff, hoffe auch ich auf eine so harmlose Erklärung, wie dass zum Beispiel ein Stück Wild angefahren wurde. Aber mein Gefühl spricht eine andere Sprache, ich glaube, dass sich hier etwas Entsetzliches zugetragen hat. Und angesichts der Stofftasche, die einige Meter entfernt am Straßenrand liegt, fürchte ich um das vermisste Mädchen.
Ich sehe Tomasetti an. »Ist das eine tödliche Menge?«
»Schwer zu sagen. Möglich.«
»Vielleicht ist sie am Straßenrand gelaufen und von einem Auto angefahren worden«, sagt Goddard, scheint aber wenig überzeugt von seiner eigenen Theorie.
»In so einem Fall hätte das Opfer eher
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