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Toedliche Wut

Toedliche Wut

Titel: Toedliche Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Castillo
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Bars, in denen ich zu viel Zeit verbracht habe – eine Mischung aus Bratfett, Alkohol und Zigaretten. Ein Lautsprecher unter der Decke beschallt den Raum knisternd mit einem alten Allman-Brothers-Song über jemanden, der noch einen Silberdollar hat. Die Theke ist rechts vom Eingang, mit einer uralten Holzplatte, die schon viele raue Ellbogen, gelallte Sätze und verschüttetes Bier über sich ergehen lassen musste. Ein krummer alter Mann mit Cowboyhut sitzt pfeiferauchend und mit übergeschlagenen Beinen auf einem Stuhl. Die Toiletten sind am Ende des Raums. An der Wand hängt ein Schild mit der Aufforderung: SETZ DICH VERDAMMT NOCHMAL HIN. Wir setzen uns an einen Tisch im hinteren Teil.
    Tomasetti zieht einen Stuhl für mich hervor, und ich würde ja gern glauben, dass er das tut, weil er ein Gentleman ist, doch ich weiß, dass er sich an einem öffentlichen Ort niemals mit dem Rücken zur Tür setzen würde. Manche Leute halten das sicher für paranoid, aber ich nicht.
    Eine magere Kellnerin mit blaugrauen Haaren und dürren Beinen kommt zu unserem Tisch geeilt und legt uns die Speisekarte hin. »Hi, Leute, wollt ihr was essen oder nur was trinken?«
    »Beides«, antwortet Tomasetti. »Und nicht unbedingt in dieser Reihenfolge.«
    Sie lacht. »Das höre ich gern. Was kann ich Ihnen bringen?«
    Wir bestellen zwei Flaschen Killian’s Irish Red und Burger mit Pommes, und sie eilt weg.
    »An Stoltzfus stört mich«, beginnt Tomasetti, »dass er sich selbst eine Position verschafft hat, in der er mit unzufriedenen amischen Teenagern in Kontakt kommt.«
    Eine Alarmglocke schrillt in meinem Hinterkopf, aber ich kann nicht sagen, warum. »Kindesentführer gehen im Prinzip genauso vor.«
    »Und er hatte mit mindestens einem der Vermissten Kontakt.«
    Die Kellnerin kommt mit zwei Flaschen Bier und zwei eiskalten Gläsern zurück. »Die Burger sind gleich fertig.«
    Tomasetti schenkt das Bier ein. Wir heben die Gläser, sehen uns über den Rand hinweg an und nehmen einen großen Schluck. Es ist der erste Alkohol seit dem Slabaugh-Fall vor sechs Monaten, und ich stelle nur ungern fest, wie gut er tut.
    Ich denke noch über Stoltzfus nach, als im Gürtelclip mein Handy vibriert. Beim Blick aufs Display erwarte ich schon beinahe, den Namen des Bürgermeisters zu sehen, der mich mit einem weiteren Anruf wegen seines Sohnes quälen will, doch die Telefonnummer ist mir unbekannt.
    »Burkholder.«
    »Hier ist Suzy Fisher.«
    Ihr Anruf überrascht mich wirklich. Nicht nur, weil Amische normalerweise kein Telefon benutzen, sondern auch, weil es so spät ist – um die Zeit sind amische Frauen meist längst im Bett. »Hallo, Mrs Fisher, ist alles in Ordnung?«
    »Es tut mir leid, Sie zu so später Stunde noch zu stören«, sagt sie atemlos. »Aber ich konnte nicht schlafen. Ich bin mit dem Buggy in die Stadt gefahren und hier in einer Telefonzelle.« Sie quetscht die Worte hervor, als wäre ihr Hals zugeschnürt. »Eli weiß nichts davon.«
    »Verstehe«, sage ich. »Was gibt es?«
    »Ich habe Ihnen heute nicht alles gesagt. Ich glaube, dass es wichtig ist.«
    »Über Bonnie?«
    » Ja .« Erst jetzt merke ich, dass sie weint. »Bonnie liebt Babys. Sie liebt Kinder und hat sich so sehr darauf gefreut, im Herbst in der Schule zu unterrichten.«
    Ich warte, lasse ihr Zeit.
    »Chief Burkholder, sie war verwirrt wegen des Babys.«
    »Wie meinen Sie das?« Doch noch während ich die Frage stelle, dämmert mir die Antwort. »Sie wollte das Kind nicht?«
    »Wir hätten es gern gehabt.«
    »Mrs Fisher, hat Bonnie von einer Abtreibung gesprochen?«
    »Unser Glaube erlaubt das nicht.« Jetzt weint sie heftig. »Ich habe versucht, es ihr auszureden, aber sie hat sich so geschämt. Sie war fest entschlossen, es zu tun. Das war das letzte Mal, dass ich sie gesehen habe.«
    Ihre Worte erschüttern mich. Für die meisten Amischen ist Abtreibung Mord. Ich kenne insgesamt nur zwei amische Frauen, die abgetrieben haben. Die eine hat ihre Sünde zwar vor der Gemeinde gestanden, sich aber von ihren Altersgenossen so verachtet gefühlt, dass sie das schlichte Leben aufgab. Die andere hat sich umgebracht.
    »Mrs Fisher, ich weiß, wie schwer es für Sie ist, mir das zu erzählen«, sage ich. »Danke, dass Sie es trotzdem getan haben, die Information scheint mir wichtig.«
    »Bitte finden Sie sie, Chief Burkholder. Was sie getan hat, ist uns egal, wir wollen sie einfach nur zurückhaben.«
    »Ich werde mein Bestes tun«, erwidere ich.

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