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Toedliche Wut

Toedliche Wut

Titel: Toedliche Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Castillo
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bin gern mit ihm zusammen, auch das gemeinsame Arbeiten klappt gut. Ich vertraue ihm total, respektiere ihn in jeder Hinsicht. Und glaube, dass er mir gegenüber das Gleiche empfindet.
    Wir kommen beide gut damit klar, dass wir eine Fernbeziehung führen, wir sind beide zu eigenständig für etwas Kuschliges. Aber sosehr wir auch versuchen, das Ganze einfach zu gestalten, es liegt einfach in der Natur der Sache, dass Beziehungen irgendwann kompliziert werden.
    Manchmal glaube ich, dass ich ihn liebe. Ich will bei ihm sein, wenn ich es nicht bin. Er ist immer irgendwo in meinen Gedanken. Wenn etwas Außergewöhnliches passiert, will ich es mit ihm teilen, weiß aber nicht, ob das gut ist oder schlecht. Ehrlich gesagt, macht es mir Angst. Ich komme nicht an der kleinen Stimme in meinem Kopf vorbei, die sagt, dass es zu schön mit ihm ist, um von Dauer zu sein.
    Mein eigenes Herz kenne ich gut, doch Tomasetti ist mir in vielen Dingen noch immer ein Rätsel. Vor drei Jahren war er noch verheiratet und hatte Kinder. Ich weiß nicht, ob er glücklich oder unzufrieden war, oder, wie die meisten Menschen, irgendetwas dazwischen. Er spricht selten über seine Vergangenheit. Aber ich weiß, dass er eine andere Frau geliebt und Kinder mit ihr hatte. Dass er seine Familie geliebt hat. Und auch, dass er an ihrem Verlust fast zugrunde gegangen wäre.
    Manchmal, wenn ich nicht zu ihm durchdringen kann, frage ich mich, ob er im Grunde lieber mit ihr zusammen wäre. Ob er sie immer noch liebt. Ob er nur deshalb mit mir zusammen sein will, weil sie nicht mehr da ist. Ob ich mit einer toten Frau konkurriere.
    * * *
    Das Klingeln reißt mich aus einem tiefen, traumlosen Schlaf. Ich taste auf dem Nachttisch nach dem Handy, klappe es auf und drücke es ans Ohr, krächze: »Burkholder.«
    Noch bevor ich Tomasettis Stimme höre, weiß ich, dass es nichts Gutes bedeutet. Wenn ein Polizist mitten in der Nacht geweckt wird, dann immer mit schlechten Nachrichten.
    »Wir haben eine Leiche«, sagt er nur.
    Ich setze mich kerzengerade auf. Im Zimmer ist es stockdunkel, mein Herz klopft heftig, und einen Moment lang weiß ich nicht, wo ich bin. Dann fällt mir alles wieder ein – die vermissten amischen Teenager, das Blut auf der Straße. Ich knipse das Licht an, springe aus dem Bett und packe meine Kleider.
    »Ist es Annie?«, frage ich, ein Bein schon in der Hose.
    »Ich weiß es nicht.«
    »Gib mir fünf Minuten.«

10.
    Kapitel
    Als ich zur Tür hinausgehe, zeigen die roten Leuchtziffern des Weckers 3:53 an. Tomasetti hat den Wagen bereits vor meine Hütte gefahren, lehnt am vorderen Kotflügel der Beifahrerseite und telefoniert. Die Nacht ist feuchtwarm und still, Regen liegt in der Luft.
    Ich steige ins Auto, kurz darauf beendet er das Gespräch und schiebt sich hinters Lenkrad. »Ein echt beschissener Start in den Tag«, brummt er, als wir langsam über den Parkplatz fahren.
    »Erzähl mir, was du weißt«, sage ich.
    »Nicht viel. Die Identität ist noch nicht festgestellt, aber das Opfer ist jung und weiblich.«
    Ich denke an das viel zu frühe Ende eines jungen Lebens, an die Eltern, die in den nächsten Stunden benachrichtigt werden müssen, die Familie, die von der Nachricht erschüttert sein wird – und fühle die vertraute Wut in mir aufsteigen.
    Steinchen wirbeln hoch, als wir mit quietschenden Reifen auf den Highway biegen. Neben mir gleiten Tomasettis Blicke suchend über die dunklen Schaufensterfassaden und die schwarzen Schatten der Bäume. Wir fahren über eine Brücke und weiter in Richtung Stadt. Er ist jetzt ganz Polizist, schon auf der Jagd nach dem Täter.
    »Wo ist die Leiche?«, frage ich.
    »In einem Fluss. Ein Typ, der dort fischen wollte, hat sie gefunden.«
    Mich schaudert es bei der Vorstellung. Wasserleichen sind immer ein furchtbarer Anblick und erschweren die Spurensicherung immens. »Ist schon jemand vor Ort?«
    »Goddard ist auf dem Weg.« Er wirft mir einen düsteren Blick zu. »Wir sind näher.«
    »Coroner?«
    »Ein Team aus Youngstown ist unterwegs.«
    Ich sehe ihn an. Er wirkt müde und nicht gerade freundlich. Er hat Schlafprobleme, und letzte Nacht war da vermutlich keine Ausnahme.
    Wir passieren Buck Creek in Richtung Norden auf einer schmalen, zweispurigen Straße, die durch ein waldreiches Gebiet führt. Nach ein paar Meilen erreichen wir eine rostige Stahlbrücke mit einer Haltebucht davor, in der ein großer Dodge Ram steht. Tomasetti parkt dahinter, stellt den Motor ab und nimmt seine Stablampe

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