Toedliche Wut
vom Rücksitz. »Eine zweite steckt bei dir in der Türverkleidung.«
Die MagLite in der Hand, stoße ich die Tür auf und trete in ein nächtliches Konzert von Grillen, Ochsenfröschen und nachtaktiven Tieren, das aus dem undurchdringlichen Schwarz des Waldes erklingt.
Tomasetti steht schon bei dem Dodge. »Wo zum Teufel steckt der Fahrer?«, flucht er.
Da auch ich niemanden sehe, lege ich die Hand auf den Revolver und gehe zu ihm. Gut möglich, dass der Notruf nur von einem Bürger kam, der einen furchtbaren Fund gemacht hat. Trotzdem darf man nie vergessen, dass es bei einem Mord auch einen Mörder gibt, und schon zu viele Polizisten haben ihr Leben gelassen, weil sie glaubten, einen ungefährlichen Ort zu betreten.
Blitze zucken am Horizont. Tomasetti will die Fahrertür öffnen, doch sie ist verschlossen. Er leuchtet den Innenraum ab, legt die Hand auf die Motorhaube. »Noch warm.«
Ich gehe in die Hocke, leuchte unter den Wagen. »Nichts.«
Wir inspizieren gerade die Ladefläche, als zwanzig Meter weiter etwas Großes aus dem Buschwerk auf der anderen Seite des Straßengrabens auftaucht. Adrenalin durchflutet meinen Körper. Vielleicht ein Tier – ein brünstiger Bock oder ein Schwarzbär, der gleich über uns herfällt. Ich ziehe die Waffe und leuchte mit der Lampe zu dem Trampelpfad, der in die Büsche führt.
Tomasetti eilt mit der Pistole in der Hand zu mir. »Polizei!«, ruft er. »Stehenbleiben. Wer sind Sie?«
Ein Mann taucht aus der Dunkelheit auf, stolpert und fällt hin.
»O Gott!«, schreit er und klettert auf allen vieren aus dem Graben.
»Bleib, wo du bist, Kumpel«, sagt Tomasetti. »Das ist mein Ernst.«
Seine Stimme ist laut und deutlich, doch der Mann scheint ihn nicht zu hören, ist entweder randvoll mit Drogen oder hat Todesangst. Angesichts des Ortes, an dem wir uns befinden, vermute ich Letzteres.
Ich bleibe in sicherer Entfernung zu dem Mann, der es jetzt ganz aus dem Graben geschafft hat und so heftig keucht, dass er bei jedem Atemzug würgt. Er ist leicht übergewichtig und sinkt drei Meter vor uns auf die Knie, beugt sich vornüber und stützt sich mit den Händen im Schotter ab.
Tomasetti tritt einen Schritt zurück, die Waffe noch immer auf den Mann gerichtet. »Halten Sie die Hände hoch, damit wir sie sehen können.«
Der Mann ist so damit beschäftigt, nach Luft zu schnappen, dass er nicht reagiert. »Nicht schießen, Herrgott nochmal! Ich hab die Polizei gerufen«, stößt er japsend aus, verschluckt sich an seiner eigenen Spucke und fängt an zu husten.
Tomasetti lässt die Waffe sinken, behält sie aber in der Hand. »Was ist passiert?«, fragt er, noch immer misstrauisch.
»Da unten im Fluss liegt ’ne Leiche!«, sagt der Mann keuchend.
Tomasetti blickt rüber zu dem Wald, aus dem der Mann gekommen ist, und leuchtet mit der Stablampe in der linken Hand zum Trampelpfad. Nichts regt sich. Der Wald scheint verstummt, als wolle er das Geheimnis mit seiner düsteren Umarmung schützen.
»Ist sonst noch jemand da unten?«, fragt Tomasetti.
»Außer der verdammten Leiche hab ich nichts gesehen.« Er hustet, schnappt weiter nach Luft. »Hab fast ’nen Herzkasper gekriegt.«
»Wie heißen Sie?«, frage ich.
»Danny … Foster.« Der Mann hebt den Kopf und sieht uns mit zusammengekniffenen Augen an. »Wer sind Sie überhaupt? Wo ist Sheriff Goddard?«
Ich zeige ihm meinen Ausweis. »Haben Sie Ihren Führerschein einstecken?«
Er richtet den Oberkörper auf, holt das Portemonnaie aus der Hosentasche und hält es mir zitternd hin.
Tomasetti tritt neben mich, wirft einen Blick auf das Portemonnaie und runzelt die Stirn. »Was machen Sie da unten?«
»A-angeln.«
»Um vier Uhr morgens?«
»Ich muss um acht arbeiten«, schnappt er.
Tomasetti und ich stecken beide unsere Waffen weg.
Der Mann sieht von Tomasetti zu mir. »Kann ich aufstehen?«
»Sicher«, sage ich.
Foster hievt sich mühsam auf die Füße. Er ist ein kleiner, runder Mann in weiter Khakihose, Flanellhemd und Anglerweste. Sein Schritt ist feucht.
»Was ist passiert?«, fragt Tomasetti erneut.
»Ich hab bei dem tiefen Loch gefischt, ungefähr vierhundert Meter weiter im Wald drin.« Er schluckt schwer, zeigt mit dem Daumen zu dem Pfad, der dort hinführt. »Ich hatte grade die Schnur ausgeworfen, als ich am Ufer was liegen sehen hab, das sich in ’ner Baumwurzel verfangen hatte.« Er hustet und spuckt aus. »Ich dachte, es wär so ’ne Schaufensterpuppe, wie die im Einkaufszentrum, und hab
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