Toedliche Wut
mir ein kleines bisschen zu optimistisch, Chief.«
Ich zeige auf das Blatt Papier. »Ein paar der Leute auf der Liste haben nicht direkt etwas mit den Verschwundenen zu tun, aber ich will sie mir trotzdem genauer ansehen.« Denn manchmal sind es genau die scheinbar Unbeteiligten, deren Namen am Ende ganz oben auf der Liste stehen.
»Steuerunterlagen?«
»Sicher. Alles, was Ihnen einfällt.«
»Wann brauchen Sie die Infos?«
»Gestern.«
Die nächste Stunde verbringe ich mit Bürokram und sehe die Ergebnisse der Anfragen von gestern durch. Um acht Uhr ruft der Techniker von der Spurensicherung an und informiert mich, dass das Blut an der Stelle, wo Mandy Reiglesberger Sadie Miller gesehen hatte, tatsächlich von einem Menschen stammt. Wie immer kommt das Labor mit der Arbeit nicht hinterher, so dass die Typisierung und DNA-Analyse ein paar Tage dauern werden. Doch zumindest bin ich mir jetzt ziemlich sicher, dass wir es mit einem Tatort zu tun haben. Nicht gerade die Nachricht, mit der ich den Tag beginnen wollte.
Tomasetti ruft mich im Laufe des Vormittags an, und ich erzähle ihm die Neuigkeit.
»Verdammt.« Er stöhnt. »Ich wollte dir sagen, dass wir das Haus und Grundstück von Stacy Karns durchsucht haben, und jetzt hör dir das an: Wir haben ein Foto von Annie King gefunden.«
Ich bin echt geschockt. »Hat Karns das Foto selbst gemacht? Ist es eine seiner Arbeiten?«
»Er sagt kein Wort. Aber es trägt seine Handschrift, du weißt schon, schwarzweiß und irgendwie düster. Mit einem definitiv sexuellen Element.«
»Der Mistkerl hat uns angelogen.«
»Was natürlich die Frage aufwirft, welche Lügen er uns sonst noch serviert hat.«
»Und auch, ob er eine Beziehung mit ihr hatte.« Ich denke kurz nach. »Hat er ein Alibi für die Nacht, in der Sadie Miller verschwunden ist?«
»Wie gesagt, er schweigt sich aus. Hat einen Anwalt verlangt, auf den warten wir jetzt.«
»Mistkerl!« Ich merke, wie ich mit den Zähnen knirsche, und höre sofort auf. »Das sieht doch wirklich ganz danach aus, als hätte er was zu verbergen.«
»Wir haben ihn wegen Behinderung unserer Ermittlungen in Gewahrsam genommen, für wie lange, weiß ich nicht. Jetzt lassen wir ihn erst einmal hier im County-Gefängnis schmoren.«
Ich überlege, was das in Bezug auf Sadie Miller bedeutet. »Tomasetti, das Foto, das ihr gefunden habt, ist es pornographisch?«
»Sie steht mit nacktem Oberkörper mit dem Rücken zur Kamera, aber ein Teil ihrer Brust ist zu sehen.«
Wut will in mir hochsteigen, doch ich unterdrücke sie. Ich kann es mir nicht leisten, meinen Gefühlen freien Lauf zu lassen, das raubt einem nur die Energie. »Damit haben wir ihn«, sage ich. »Selbst wenn wir ihm den Mord nicht nachweisen können, für Kinderpornographie kriegen wir ihn dran.«
»Da es seine zweite Straftat ist, wird er diesmal noch länger sitzen«, sagt er. »Sobald ich einen Scan von dem Foto hab, maile ich es dir.«
»Ein minderjähriges amisches Mädchen.« Ich könnte kotzen. »Was für Menschen tun so was?«
»Pädophile, Soziopathen, selbstgefällige Arschlöcher, such dir was aus. Wenn ich die Gelegenheit dazu kriege, haue ich ihm eine von dir rein.«
»Ich gebe es ungern zu, aber deine Worte tun mir gut.«
»So soll das auch sein.«
»Wobei es mir total stinkt, dass er genau das wieder als Publicity für seine Fotos und Bücher benutzen wird.«
»Dagegen sind wir machtlos.«
»Glaubst du, er hat Annie King umgebracht?«, frage ich.
Das Knistern in der Leitung erinnert mich an die Entfernung, die zwischen uns liegt. Schließlich sagt er: »Ich weiß es nicht, Kate. Anfangs dachte ich, nein, und im Prinzip denke ich das immer noch. Aber das Foto und die Tatsache, dass er uns belogen hat, sind schwer zu ignorieren.«
Somit steht fest, dass Karns Annie King gekannt hat. »Habt ihr eine Verbindung zwischen Karns und den anderen Vermissten gefunden?«
»Bis jetzt noch nicht, aber wir haben seinen Computer beschlagnahmt, und darauf ist eine Menge Material, das gesichtet werden muss.«
Die nachfolgende Stille dauert etwas zu lange an, und ich habe das Gefühl, dass auch er mit den Gedanken bei heute Morgen gelandet ist. »Und du, Kate?«, fragt er. »Alles okay bei dir?«
»Unsere Techniker hier sind mit der Spurensicherung vor Ort fertig.« Mir ist durchaus bewusst, dass die Frage nicht dem Fall gegolten hat, doch ich gebe mich ganz professionell. Da ist der Boden sicherer, merke ich, und das gilt nicht nur für mich. »Es hat
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