Tödlicher Absturz: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
dessen Motiv ich nicht einmal kenne. Da stört es ungemein, wenn es Spannungen gibt, die ich nicht verstehe, und wenn ich mir nicht absolut sicher sein kann, dass mein gesamtes Team ebenso scharfsinnig auf die Ermittlung fokussiert ist wie ich. Tut mir leid, Sabine, aber ich kann da leider nicht lockerlassen.«
»Scheiße«, murmelte Sabine zerknirscht, dann sah sie auf ihre Uhr und ergänzte: »Aber nicht hier im Büro bitte.«
»Komm doch einfach mit zu mir, ich sammle mir gerade ein paar Unterlagen zusammen, die ich zu Hause durchgehen möchte. Von da aus kannst du dann in Richtung Taunusanlage durchstarten. Wäre das ein Vorschlag?«
»Na ja, ist wohl das kleinste Übel.«
Zwanzig Minuten später hatten die beiden Frauen in Julias Wohnzimmer gesessen, es war angenehm warm, und nur das nötigste Licht war eingeschaltet. Sabine hatte sämtliche Angebote abgelehnt, wollte weder Tee noch etwas zu knabbern. Es war nicht zu übersehen, dass das, was ihr bevorstand, für sie einen schweren Schritt bedeutete.
»Sabine, ich habe dir eine Menge zu verdanken«, eröffnete Julia das Gespräch.
»Ich dir aber auch«, erwiderte Sabine.
»Moment, lass mich bitte erst ausreden. Damals, als es darum ging, eine Verstärkung in unser Team zu holen, ist mir die Entscheidung nicht schwergefallen. Du kennst ja die Kollegen«, schmunzelte Julia, »da hieß es gleich ›die mit dem fotografischen Gedächtnis‹ und ›was fürs Auge ist sie auch‹, na, das kennen wir als Frauen ja, damit müssen wir eben klarkommen. Für mich hat aber in erster Linie gezählt, dass du deine Partner nicht hängenlässt, dass man sich auf dich verlassen kann, du dich aber auch nicht blindlings unterordnest, sondern Rückgrat gegenüber Vorgesetzten beweist, wenn es sein muss.« Sie lachte kurz. »Hellmer hat mir die Story erzählt, wie ihr beide damals ohne amtliche Verfügung in diese Praxis gegangen seid, du weißt schon, als ich entführt war und jede Sekunde zählte. Das war für dich gleich die Feuertaufe und, bei Gott, ihr beide wart meine Rettung. Ohne euch … Na, lassen wir das. Ich habe das noch nicht überwunden, aber wie gesagt, deinen Anteil an meiner Rettung werde ich niemals vergessen.«
»Du machst mich ganz verlegen.« Sabine sah verlegen zu Boden. »Aber im Grunde genommen bin ich von Anfang an nur mitgelaufen. Hellmer, Kullmer, Seidel und du, ihr seid ein solches Team, das hat mir schon im Vorhinein manch schlaflose Nacht bereitet, glaub mir. Ich hatte vorher noch nie die Situation, in der ich mich als fünftes Rad am Wagen fühlen musste, und euch eilte ein so einschüchternder Ruf voraus … Als ich darüber nachdachte, zum K 11 zu wechseln, bereitete mir das gehörige Bauchschmerzen, und ich stand enorm unter Druck, gut zu sein und mich dennoch behaupten zu können.«
»Hat man dir aber nicht angemerkt.«
»Mag sein. Ich kremple mein Inneres nicht nach außen, das weißt du ja. Sonst würden wir hier heute nicht sitzen«, seufzte Sabine. »Aber ihr habt es mir leichtgemacht. Okay, deine Auszeit hat mich natürlich vorangebracht, denn wir mussten uns ja zu viert durchbeißen. Aber auch vorher und hinterher, ich fühle mich bei euch sauwohl, das musst du mir glauben, und ich weiß es sehr zu schätzen, dass ihr mich so herzlich aufgenommen habt.«
Die beiden Frauen musterten einander schweigend, dann überkam Julia der Impuls, aufzustehen und Sabine in den Arm zu nehmen. Offenbar ging es Sabine ähnlich, sie erhoben sich beinahe gleichzeitig, traten aufeinander zu und hielten sich einen Moment lang fest in den Armen, Sabine presste den Kopf fest an Julias Schulter.
»Sag mir, was los ist«, hauchte die Kommissarin und vernahm im selben Augenblick ein leises Schluchzen. Sabines Oberkörper bebte, dann hielt sie es nicht länger zurück, und ein heftiger Weinkrampf schüttelte sie.
»Na komm.« Julia zog sie langsam in Richtung Sofa, und sie ließen sich in die Polster sinken.
»Ich kann nicht mehr, ich halte das nicht aus«, wimmerte Sabine nach einer gefühlten Ewigkeit, obwohl keine halbe Minute vergangen war.
»Was ist denn los? Du warst nicht zum ersten Mal in der Klinik, oder? Das war offenkundig, so wie du und diese Ärztin aufeinander reagiert haben. Hast du irgendein Leiden, von dem keiner etwas wissen darf?«
»Wie?«
»Na komm, jetzt rück schon damit raus, und ich garantiere dir, es geht dir hinterher besser«, bohrte Julia beharrlich weiter.
»So ein Quatsch!« Sabine kicherte kurz, doch es war kein
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