Tödlicher Absturz: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
identisch waren.
DIE MÄCHTIGEN WERDEN FALLEN.
ALLE REICHTÜMER NÜTZEN NICHTS
AM TAGE DES GERICHTS
Schumann!, dachte die Kommissarin erbost. Woher zum Geier kannte er den Wortlaut? Es konnte doch kein Zufall sein … sollte dieser Schmierfink sie dermaßen dreist getäuscht haben? Oder hatte sie nur nicht mitbekommen, dass diese Worte von hiesigen politischen Aktivisten lauthals zitiert wurden? Das würde die Übereinstimmung erklären, schloss sie. Oder aber es handelte sich doch um ein allgemein bekanntes Zitat, vielleicht etwas Biblisches. Trotzdem … Julias Gehirn arbeitete fieberhaft, sie griff zu ihrem Handy und wählte Hellmers Nummer. Dieser meldete sich nur wenig begeistert, Julia warf einen Blick auf die Uhr, womöglich störte sie gerade beim Essen.
»Und deshalb machst du die Pferde scheu?«, brummelte er missmutig, nachdem sie ihm den Sachverhalt geschildert hatte. »Im Präsidium stapeln sich kistenweise Anti-Kapitalismus-Flyer, das ist seit der Krise nichts Neues. Wart’s ab, wenn erst einmal der Frost vorbei ist, wird die Taunusanlage flugs wieder besiedelt sein von allen möglichen Globalisierungsgegnern. Da wird es erst eine Schwemme an Flugzetteln geben …«
»Aber dieser lag in meinem Briefkasten«, widersprach Julia energisch.
»Und in Hunderten anderen auch, wetten? Wenn du es genau wissen willst, klingele dich doch bei deinen Nachbarn durch.«
»Da kannst du Gift drauf nehmen. Und morgen ist dieser Schumann noch mal fällig, das kann einfach kein Zufall sein, dass er fast eins zu eins das gleiche Zitat verwendet.«
»Hast du mal geprüft, ob es nicht eine verbreitete Weisheit ist? Vielleicht ein Klassiker in gewissen Kreisen, das wäre der erste Schritt.«
»Habe ich noch vor«, murmelte die Kommissarin. »In meinen Ohren klingt es ja biblisch. Als Nächstes rufe ich meinen Paps an. Eine große Hilfe warst du ja nicht, mein Lieber.«
»Schau auf unseren Esstisch, und du verstehst, warum«, lachte Hellmer. »Aber im Ernst, der Schumann läuft uns nicht weg. Wir stehen gleich morgen früh bei ihm auf der Matte, wenn’s dich ruhiger schlafen lässt, aber alles andere wäre übertrieben.«
Mit einem unzufriedenen Brummen verabschiedete Julia sich, obwohl sie insgeheim wusste, dass Hellmer recht hatte. Danach rief sie mit dem Festnetztelefon ihren Vater an.
»Wer stört mich so spät?«, tönte es nach langem Tuten unwirsch aus dem Lautsprecher, aber Julia wusste es besser.
»Komm schon, Paps, du siehst auf dem Display ganz genau, dass ich es bin.«
»Lass mir doch den Spaß«, erwiderte der alte Mann, »wenn ich schon dieses moderne Teil hier rumstehen habe, möchte ich auch was davon haben.«
»Du hast einiges davon«, gab Julia schmunzelnd zurück und erinnerte sich daran, wie viel Überzeugungskraft es sie gekostet hatte, das alte Wählscheibentelefon einzumotten und ihrem Vater einen neuen Apparat anzuschaffen. Der pensionierte Pastor war mit seinen bald achtzig Jahren nicht mehr der Jüngste, da war ein Telefon mit gut lesbaren Tasten, einem großen Display und einer Kurzwahltaste für den Notruf ihrer Meinung nach das mindeste, was er sich gönnen sollte.
»Wenn ich schon Hunderte von Kilometern weit weg wohne«, hatte Julia immer wieder betont, »kann ich wenigstens etwas ruhiger schlafen, wenn ich weiß, dass du ein funktionierendes Telefon hast, mit einem Mobilteil, das du mit dir im Haus herumtragen kannst.«
Gespräche wie diese hatten an Weihnachten endlich Früchte getragen, und es war das erste Telefonat, was sie über den neuen Apparat führten.
»Wo drückt denn der Schuh?«, erkundigte sich ihr alter Herr, als hätte er ihre Gedanken gelesen.
»Ach, ich wollte die ganze Zeit schon anrufen, aber manchmal braucht es einen zusätzlichen Grund. Wie so oft ist es eine Frage in Glaubenssachen. Ich habe hier einen Spruch, den würde ich dir gerne mal vorlesen.«
»Nur zu, ich bin ganz Ohr.«
Julia las den Spruch langsam und deutlich. Es folgte ein Moment des Schweigens.
»Oje«, hörte sie ihn schließlich sagen. »Da muss ich nachschlagen, warte kurz.« Es raschelte am anderen Ende, dann fuhr er fort: »Die erste Zeile stört mich irgendwie, sie passt nicht zum Rest des Spruches. Jesaja hat über die Mächtigen gesprochen, das Thema taucht ja nicht selten auf in der Bibel, könnte auch aus Psalm 22 stammen. Aber ich suche eigentlich nach den anderen beiden Zeilen, warte … Ah, hier, wusste ich’s doch. Es ist aus dem Buch der Sprüche Salomons, 11.4, um
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