Tödlicher Absturz: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
aber ehrlich gesagt reißt mich dieser Gedanke nicht so vom Hocker.«
Fünf Meter weiter öffnete sich knarrend eine Tür, und ein unrasierter, in einen schwarzen Jogginganzug gekleideter Mann trat heraus.
»Was ’n hier los?«, fragte er mürrisch. Hellmer trat zwei Schritte auf ihn zu und holte seinen Dienstausweis hervor. »Wir sind von der Kripo, möchten zu Herrn Brack«, erläuterte er knapp.
»Ist wohl nicht da, und wenn Sie die ganze Nacht vor der Tür hocken«, brummte der Nachbar und neigte den Kopf zur Seite, wohl um an Hellmer vorbei einen Blick auf Julia zu erhaschen. Er mochte Mitte dreißig sein, die trüben Augen, die gereizte Gesichtshaut und die lückenhaften, dunklen Zähne deuteten darauf hin, dass er Alkoholiker war. Hellmer musste unwillkürlich schlucken, er konnte sich der Erinnerung an eine Lebensphase nicht erwehren, in der es nicht viel besser um ihn bestellt gewesen war. Schnell verjagte er diese Gedanken wieder und erwiderte kühl: »Wir hocken uns sicherlich nicht vor seine Tür. Wir rufen ein paar Kollegen, verschaffen uns Zugang und machen es uns hier im ganzen Stockwerk gemütlich, na, wie klingt das?«
»Mir egal, solange Sie mich in Frieden lassen«, entgegnete sein Gegenüber schulterzuckend und wandte sich ab. »Aber hören Sie bloß auf, die Klingel zu malträtieren. Hubi hängt am Wochenende meist woanders ab.«
»Warten Sie«, sagte Hellmer schnell. »Wie meinen Sie das? Hat er Dienst?«
»Dienst? So ’n Quatsch!«, lachte der Mann verächtlich und winkte ab. »’nen Laufburschenjob hat er, tut nur immer so, als würde ohne ihn das ganze Haus zusammenfallen. Stattdessen läuft er die meiste Zeit mit’m Salzeimer rum, das war’s auch schon. Aber nicht momentan, soweit ich weiß.«
»Aha?«
»Na, der Hubi hat irgendwo ein Örtchen, wohin er sich zurückzieht, wenn er freihat. Keine Ahnung, ob er sich’s da mit ein paar Gramm Shit bequem macht, weil saufen tut er nicht mehr, hat er mal gesagt. Na ja, oder er liest sich eine vom Straßenstrich auf, oder einen, das würde zumindest erklären, warum er nie jemanden mit hierherbringt. Fakt ist, dass er an seinen freien Wochenenden gerne ein, zwei Tage strunzen geht, und das war’s auch schon. Also können Sie genauso gut abziehen, ich hab da drinnen nämlich auch was am Laufen, wenn Sie verstehn …« Er zwinkerte Hellmer zu und verschwand wieder in seiner Wohnung. Das Klingelschild trug keinen Namen, nur Reste eines abgepulten Klebeetiketts. Hellmer überlegte kurz, dann trottete er zu Julia zurück.
»Mitbekommen?«, fragte er mit erhobenen Augenbrauen.
»Jedes Wort«, nickte Julia und konnte sich nicht gegen den Ekel erwehren, der in ihr aufstieg, wenn sie sich vorstellte, wie dieser ungepflegte Typ seine Joggingjacke auszog und seine verschwitzte, garantiert stark behaarte Haut an einem nackten Frauenkörper rieb.
»Dann lass uns um Gottes willen hier verschwinden«, drängte Hellmer. »Wir können ja eine Streife drauf ansetzen, falls sich wider Erwarten etwas tut, oder morgen auf dem Weg ins Präsidium noch mal vorbeischauen.«
»Meinetwegen«, seufzte Julia und rang sich ein müdes Lächeln ab. »Vielleicht hast du recht, zumindest machst du keinen Hehl draus, dass du nichts zwischen Nadines Essen und uns zwei Hübsche kommen lassen wirst.«
»Gut erkannt«, lächelte Hellmer anerkennend, und sie verließen das Wohnhaus.
Kaum eine halbe Stunde später saßen Julia und Frank im gemütlich warmen Wohnzimmer der Hellmers. Aus der Küche drang ein köstlicher Duft nach gedünstetem Gemüse und frischen Kräutern, außerdem unverkennbar der Geruch nach gebratenem Fisch.
»Ich hoffe, die Pastorentochter weiß es zu schätzen, dass ich heute anstelle eines Rotweinbratens lieber ein paar Doraden auf den Grill lege«, hatte Nadine gescherzt, nachdem sie und Julia sich herzlich umarmt hatten.
»Wegen mir hättest du auch Steak braten können«, hatte die Kommissarin gelacht. »Selbst Paps ist da nicht so streng. Die Zeiten, in denen es freitags nur Fischstäbchen oder Calamares gab, sind lange vorbei.«
»Siehst du!« Prompt bedachte Hellmer Nadine mit einem aufgesetzt tadelnden Blick. »Das haben wir jetzt davon, teuren Fisch gekauft zu haben. Julia weiß es nicht zu schätzen, und ich werde um mein Steak gebracht.«
»Stopp, ich habe nicht gesagt, dass ich es nicht mag«, wehrte Julia lachend ab. »Ich will nicht für die erste Ehekrise des neuen Jahres verantwortlich sein.« Dann, zu Nadine gewandt,
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