Tödlicher Absturz: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
»gehörte er ja zum glorreichen Kreis der Big Five.«
»Wenn ich’s dir doch sage«, beharrte Hellmer. »Es gibt hier eine Notiz, in der es heißt, er sei in unlautere Vorgänge verwickelt gewesen. Keine Details, nur, dass einige Vermögenswerte eingefroren wurden, aber es war wohl das meiste bereits den Bach hinuntergegangen. Das wurde nicht en détail aufgearbeitet, zumindest steht davon nichts hier in der Akte, denn es änderte seinerzeit ja nichts daran, dass Drechsler tot war. Und ein plausibler Grund für den Suizid schien es außerdem zu sein. Stell dir das doch mal vor: einen Maserati in der Garage, eine Penthousewohnung im teuersten Viertel der Stadt, ein opulentes Büro und dann plötzlich keinen Cent mehr auf dem Konto. Mensch, der muss Fixkosten von zwei- bis dreitausend Euro im Monat gehabt haben, das bricht dir schneller das Genick, als dir lieb ist.«
»Du musst es ja wissen«, erwiderte Julia gedankenverloren, schrak aber sofort auf. »Verdammt, Frank, entschuldige bitte«, sagte sie hastig, »das war jetzt nicht so gemeint, okay?«
»Ja, ja, Schwamm drüber«, winkte Hellmer ab. »Nicht hier und jetzt, wir müssen das Thema nicht ständig aufwärmen. Aber du hast insofern recht, dass auch Nadine und ich uns sehr intensiv damit auseinandergesetzt haben, wie viel das reine Leben ohne alle Extraausgaben monatlich kostet. Ist sicher auch in deiner Wohnung nicht gerade ein Klacks, oder?«
»Nein, ganz und gar nicht«, betätigte Julia. »Eigentum ist um einiges schlechter zu kalkulieren als Miete. Das war eine ganz schöne Umstellung in den ersten Monaten, als ich aus meiner Sachsenhausener Wohnung ins Nordend gezogen war. Die monatlichen Verpflichtungen sind plötzlich weg, aber gnade dir Gott, wenn der Heizöllaster vor der Tür steht.«
»Siehst du. Apropos Miete!« Hellmer raschelte mit einem Papier.
»Was denn?«, fragte Julia mit geringem Interesse, denn sie versuchte gerade zum dritten Mal, einen Schachtelsatz zu entschlüsseln, der mehr Latein als Deutsch enthielt.
»Drechslers Mutter ist tot, wie ich gerade sehe.«
Julia blickte auf. »Seit wann?«
»Ein paar Monate nach seinem Ableben, warte, ich fasse es gleich mal zusammen, muss nur noch rasch zu Ende lesen.«
Hellmer murmelte einige Sekunden, während seine Augen über das Papier flogen. Dann legte er es zurück auf den Schreibtisch und seufzte: »Arme Frau. Sie ist eines natürlichen Todes gestorben, 10. Februar 2009. Das wurde hier in der Akte dokumentiert, weil der Fall Drechsler erst verhältnismäßig kurz zurücklag und man wohl wegen Erbschaft recherchierte. Es gibt keine weitere Familie, das Haus war verkauft, die Kosten für das Pflegeheim inklusive ein paar Extras somit abgesichert. Sieht mir ganz so aus, als habe Drechsler sich um seine Mutter gekümmert, bevor er sich das Leben nahm.«
»Hm, lass mal sehen bitte«, murmelte Julia, und Hellmer reichte ihr das Papier.
»Du sagtest doch etwas wegen Miete«, hakte sie nach.
»Ja, damit meinte ich primär das Heim, wobei unten in der Zusammenfassung auch noch ein Schrebergarten und eine Mietgarage erwähnt sind. Aber beides spielte für sie keine Rolle mehr, denn es gab weder ein Auto, noch dürfte sie sich in ihrem senilen Zustand mit Gemüsezucht befasst haben.«
»Was ist mit dem Erbe denn geschehen?«, erkundigte sich Julia.
»Keine Ahnung«, brummte Hellmer. »Schätze mal, das Nachlassgericht hat entweder einen Erben aufgespürt oder Gevatter Staat durfte sich die restlichen Kröten unter den Nagel reißen. Und dieser Schrebergarten geht nach Ablauf der Pacht automatisch zurück an die Stadt, zumindest kenne ich das so. Wusstest du das eigentlich? Die alte Familie Hellmer«, seufzte er, »da sind einige passionierte Kleingärtner dabei …«
»Mich wundert nur, dass die Garage im September 2008 gekündigt wurde«, überlegte Julia laut, »aber dieser Kleingarten auf weitere fünf Jahre gepachtet blieb. Hier, schau!« Sie drehte das Papier in Hellmers Richtung.
»Bezahlt im Dezember 2008, komplett im Voraus, gerade rechtzeitig vor Ablauf der Frist«, schloss Hellmer.
»Richtig, und ich glaube nicht, dass seine senile Mutter dieses Geschäft getätigt hat, auch wenn es von ihrem Konto abging«, folgerte Julia.
»Arme Sau«, überlegte Hellmer. »Meinst du, er wollte dort hausen, nachdem sein gesamtes Kapital eingefroren war?«
»Das werden wir wohl nie erfahren.«
»Jedenfalls«, schloss Hellmer, »können wir nun davon ausgehen, dass sein Sprung von der
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