Tödlicher Absturz: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
und wir wurden unterbrochen. Gut, dass Sie das Thema ansprechen. Sie sagten vorhin, dass Sie Frau Markov nicht als suizidal einschätzen. Spielt ihr Glaube dabei eine wesentliche Rolle?«
»Nun, meine Kollegen und ich waren uns stets einig, dass Frau Markov nicht suizidgefährdet ist. Sie hat eine lange Suchtkarriere hinter sich, zweifelsohne, aber Selbstzerstörung und Selbstmord sind zwei Paar Schuhe. Die aktuelle Krise ist zwar bedenklich, aber aufgrund ihres ausgeprägten Glaubens denke ich nicht, dass ihre Grundhaltung sich ändern wird.«
»Wie können Sie da so sicher sein?«, bohrte Julia nach. »Immerhin hat sie heute eine traumatisierende Nachricht erhalten.«
»Menschen bringen sich ja nicht jedes Mal um, wenn sie ein Trauma erfahren«, relativierte die Ärztin sogleich, »aber ich verstehe Ihre Bedenken. Wir werden uns natürlich ganz gezielt um Frau Markov kümmern, das ist selbstverständlich, denn letzten Endes kann jeder in einer emotional instabilen Situation sogenannte Kurzschlusshandlungen durchführen. Frau Markov nimmt an verschiedenen Gruppen- und Einzelangeboten teil. Ich hoffe, es wird ihr helfen, diesen Schmerz nicht alleine verarbeiten zu müssen. Es wäre jedoch gut, wenn Sie einen neuen Besuch wieder rechtzeitig ankündigen könnten und Ihre Befragungen auf das Nötigste reduzieren würden. In diesem Stadium der Trauer wiegt die Aufklärung der Umstände für Frau Markov weniger als die Verzweiflung über den Verlust. Bitte berücksichtigen Sie das.«
»In unserem Stadium der Ermittlung spielt der Faktor Zeit aber eine äußerst wichtige Rolle«, konterte Julia, die sich durch den Vortrag der Ärztin erneut bevormundet fühlte. »Irgendwann wird Frau Markov in ein Stadium kommen, in dem sie den Mord an ihrer Tochter aufgeklärt wissen möchte, und dann möchten wir nicht ohne Ergebnis dastehen. Wir kommen nicht aus Spaß an der Freude hierher, und wenn sich Fragen ergeben, dann stehen wir auf der Matte, das müssen Sie schon uns überlassen.«
»Wir rufen natürlich gerne vorher an«, vermittelte Sabine schnell, der das herausfordernde Blitzen in Julias Augen offenbar nicht entgangen war.
Als Julia Durant und Sabine Kaufmann kurze Zeit später die Klinik verließen, sprachen sie kein Wort. Sie durchquerten die Flure, den Parkplatz und erreichten schließlich den Wagen. Erst als Julia den Motor startete und vorsichtig zurücksetzte, brach Sabine das Schweigen.
»Arme Frau, ganz auf sich alleine gestellt, ausgehalten von der Tochter, die sich prostituiert. Das war bestimmt nicht das Leben, das sie sich erhofft hatte, weder für sich noch für ihr Mädchen.«
»Dafür hat sie es aber ganz gut aufgenommen«, kommentierte Julia.
»Ich dachte, du machst dir Sorgen wegen einer eventuellen Selbstmordneigung?«
»Nein, ich wollte nur herausfinden, wie gut die Meurer ihre Patientin kennt. Na ja«, gab Julia schließlich zu, »und ich wollte sie schon ein wenig fordern, fachlich meine ich, denn so, wie die sich aufgespielt hat …«
»… hat sie eigentlich nur einen guten Job gemacht. Ist doch gut für uns, dass Frau Markov hier unter wohlmeinender Beobachtung lebt, denn ich würde nur ungern eine weitere Tote auffinden.«
»Hmm, wie auch immer«, erwiderte Julia. »Dann reden wir doch mal über Dr. Meurer, okay?«, schlug sie mit einem herausfordernden Lächeln in Richtung ihrer Kollegin vor. Sie hatten den Wald verlassen, die Straßen waren weitgehend geräumt und gestreut, und das Fahren verlangte nicht mehr so viel Konzentration wie auf dem Hinweg.
»Ich dachte, du magst sie nicht«, kam es verwundert von Sabine zurück.
Eine gute Vorlage, dachte Julia, nahm diese sofort auf und entgegnete: »Aber sie dich umso mehr, wie mir scheint.«
»Wie kommst du denn darauf?«
»Na, wer mir freundlich winkend entgegenrennt, der muss mich doch zumindest kennen und auch ein wenig sympathisch finden, oder?«
»So ein Humbug«, wehrte Sabine sich stirnrunzelnd. »Sie hat uns erwartet.«
» Uns , das stimmt, aber nicht dich. Sie hat dich angeschaut, dich angesprochen und dich angelächelt.«
Sabine murmelte etwas, das nach ›eifersüchtig‹ klang, doch Julia ließ sich nicht beirren. »Außerdem hat uns ursprünglich ihr Kollege erwartet«, fuhr sie fort, »und ich bin mir ziemlich sicher, dass nicht du, sondern Kullmer das Telefonat mit ihm geführt hat. Du warst die ganze Fahrt über schon so angespannt, irgendetwas ist da im Busch, das …«
»Ja, ist ja gut«, fuhr Sabine ihre
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