Tödlicher Absturz: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
hat sich dazu nicht ausgelassen, so wie zu allen Fragen, wenn man es genau nimmt.«
»Ein Grund mehr, das sofort zu prüfen«, brummte Julia und suchte ihre Notizen nach der privaten Telefonnummer Sophie von Eisners ab, denn dort erhoffte sie sich die beste Chance auf eine Antwort. Kurz darauf sprach sie in den Hörer, lauschte kurz und nickte dann.
»So, das hätten wir amtlich. Kein Taxi, kein Chauffeur. Als Nächstes wird Berger angeklingelt. Es wird ihm nicht gefallen, aber ich will Eisners Wagen bei der KTU sehen. Er muss uns also einen Beschluss besorgen, ob es ihm passt oder nicht, und zwar subito!«
Dienstag, 14.50 Uhr
K önnen wir uns sehen?«, fragte Sophie von Eisner und klang aufgeregt.
»Bedaure«, verneinte Lars Manduschek mit gedämpfter Stimme, denn seine Bürotür war halb geöffnet, und er konnte nicht sehen, ob sich jemand in unmittelbarer Nähe befand. »Ich habe gleich einen Termin mit Ihrem«, er flüsterte, »ich meine Deinem Mann. Du glaubst gar nicht, was da oben los ist.«
»Schätzungsweise säuft er sich einen an«, erwiderte Sophie kühl. Manduschek erwartete von ihr kein Mitleid mit ihrem Karl, immerhin hatte er aus ihr eine gehörnte Ehefrau gemacht – mal wieder, wie es dem Anwalt in den Sinn kam. Nein, für Mitleid war Sophie wirklich nicht die richtige Person. Ironischerweise war diese Fähigkeit zu völliger emotionaler Kälte eine der großen Gemeinsamkeiten des Ehepaars, und Manduschek hatte das mehr als nur einmal bewundert. Mitgefühl mit Fabrikarbeitern in Südostasien, die sich in vierzehnstündigen Schichten abrackerten? Mitleid mit Kindern, die in Südamerika durch enge Grubenschächte krochen, um auch das letzte Gramm an Bodenschätzen zusammenzutragen?
»Unsere Industrialisierung war nicht anders«, waren die harschen Worte des Direktors, wenn er sich zu diesem Thema äußerte. »Von nichts kommt nichts, nur der Stärkste überlebt.«
Und Sophie, immerhin eine mächtige, wenn auch stille Teilhaberin des Firmenvermögens, nickte die rüden Geschäftspraktiken der Eisner Group zustimmend ab. »Ich habe mein gesamtes Vermögen als Gründungskapital eingebracht«, begründete sie ihre Haltung. »Was immer der Firma Gewinn bringt, muss getan werden.«
Noch beeindruckender war allerdings das Außenbild, welches Karl und Sophie mit Hilfe einer Agentur pflegten. Sie taten nichts, aber rein gar nichts davon, was nahezu alle anderen Firmen machten. Keine Bildungsfonds, keine Kooperation mit Gewerkschaften, nichts. Daran änderten Sophies Kaffeekränzchen mit den Frauen vom Lions Club und ihre jährliche Spende aus Steuergründen auch nichts. Die Empfehlung der Agentur lautete: Wer etwas Soziales tut, bekommt sofort vorgeworfen, es nur aus schlechtem Gewissen zu tun. Und es ist immer zu wenig, ganz gleich, wie viel es ist. Stattdessen sorgte man dafür, dass die Verbindungen der Eisner Group ausreichend verschleiert waren. Ausbeutung, Raubbau und Kinderarbeit, das taten andere. Die Eisner Group hingegen war ein reines Finanzunternehmen, und das Image funktionierte recht gut. Zumindest oberflächlich.
»Hast du es mittlerweile im Radio gehört?«, erkundigte Sophie sich hartnäckig.
»Nein, aber das brauchte ich auch nicht«, seufzte Manduschek und klickte mit der Computermaus nacheinander auf zwei Reiter seines Browserfensters. »Ich habe es im Internet vor mir, es ist überall.«
Vom Besuch der Kommissare hatte Sophie bereits berichtet, die ganze Sache schien selbst ihr, die stets unverwundbar wirkte, erheblich zu schaffen zu machen. Mit gedämpfter Stimme fügte Manduschek rasch hinzu: »Hör zu, schließ dich ein, bleib im Haus, lass es nicht an dich ran. Mehr kann ich dir im Moment leider nicht raten.«
»Toller Rat, dafür brauche ich keinen Anwalt!«, bellte sie, und Manduschek musste unwillkürlich lächeln. Wie ähnlich die beiden einander waren. Keine Geduld und so unglaublich aufbrausend.
»Ich kann später versuchen, vorbeizukommen. Dann reden wir in Ruhe«, verabschiedete er sich und legte kurz darauf erleichtert den Hörer auf seine Telefonanlage zurück.
Das kann ja heiter werden, dachte er und sah auf die große silberne Wanduhr über der Tür. Gleich drei, stellte er fest, dann mal los. Mit wenigen Griffen schob er einige Dokumente in seine Tasche, holte den Mantel aus dem Garderobenschrank und meldete sich bei seiner Sekretärin für den Rest des Nachmittags ab.
Etwa zur gleichen Zeit erreichten Julia Durant und Frank Hellmer wieder das
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