Tödlicher Absturz: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
bahnbrechende Erkenntnisse versprach.
»Es ist dasselbe wie in seiner Wohnung«, kommentierte Hellmer resigniert, als sie auf dem Weg nach unten noch einmal auf der Eisner-Etage haltmachten. »Angenommen, wir finden ein Haar oder einen Abdruck. Das mag von gestern sein – oder schon drei Monate alt. Alles, worüber uns das etwas verraten könnte, ist die Qualität der Putzfrau.«
»Bin ich eigentlich die Einzige, der es nicht am Arsch vorbeigeht, dass wir hier seit Tagen wie die Vollidioten herumeiern?«, fuhr Julia ihn an. »Da hätte ich es mir auch gemütlich machen können, zu Hause, mit Rentierpulli und Feuer im Kamin. Scheiße.«
»Hey, mal langsam«, versuchte Hellmer sie zu beschwichtigen. »Mir stinkt es auch, und zwar gewaltig, aber wir können uns die Lösung des Falls wohl kaum aus dem Ärmel schütteln, ebenso wenig wie einen brauchbaren Tatverdächtigen.«
»Täter hin oder her«, wetterte Julia weiter, »wir haben ja nicht mal mehr ein richtiges Verbrechen, das gesühnt werden muss! Na, genau genommen bleibt das Verbrechen natürlich da, aber der mutmaßliche Täter entzieht sich durch einen Sturz vom Dach. Prima. Der Steuerzahler wird sich freuen. Keine jahrelange Haft, die der Fiskus bezahlen muss.« Sie hob in gespielter Gleichgültigkeit die Hände und fuhr in ihrem Sarkasmus fort: »Und weiter geht’s, es ist ja nicht so, dass das schon alles wäre. Ein Mann misshandelt seine Ehefrau, diese bringt sich daraufhin um, aber der Mann ist fein raus, weil er so ein Scheiß-Sympathieträger der Lokalpolitik ist. Berger wird uns was erzählen, wenn wir ihn belangen wollen, für die häusliche Gewalt gibt es dank diesem bescheuerten Squash ja keine Beweise.«
»Vergisst du nicht das Veilchen?«
»Nein, ich vergesse gar nichts«, schimpfte die Kommissarin weiter. »Aber wenn er uns morgen auftischt, dass sie mit ihrem Auge gegen den Briefkasten gelaufen ist, werden wir ihm auch das glauben müssen. So ist das nun mal mit der Unschuldsvermutung hierzulande, und die gilt für die High Society ja gleich doppelt und dreifach.«
»Dann lass uns mal endlich bei Manduschek auflaufen, der dürfte jetzt Zeit für uns haben«, erwiderte Hellmer. »Vielleicht kann der dich auf andere Gedanken bringen.«
»Sicher keine guten«, murmelte Julia grantig.
Lantz & Partner, die Kanzlei, für die Lars Manduschek arbeitete, befand sich einige Stockwerke unterhalb der Eisner Group. Die gesamte Etage schien der Kanzlei vorbehalten, von einem zentralen Empfangsbereich gelangte man in die einzelnen Abteilungen. Die Büros waren teilweise mit gläsernen Wandelementen ausgestattet, gerade so, dass man von außen hineinsehen konnte, aber nicht zu viel des Geschehens im Inneren mitbekam. Das warme Licht der Nachmittagssonne flutete durch diese Scheiben und erhellte damit den Besucherbereich zu jeder Tageszeit auf natürliche Art und Weise. Ganz anders als die dunklen, mit schwerem Holz und dicken Teppichen ausgestatteten Kanzleien in Altbauhäusern, von denen die Kommissarin bereits so viele gesehen hatte.
»Guten Tag, Sie wünschen?«, säuselte die piepsige Stimme der kaum fünfundzwanzigjährigen Empfangsdame, die in einem teuren Hosenanzug mit üppigem Ausschnitt hinter dem Pult stand.
»Durant und Hellmer, Kriminalpolizei, für Herrn Manduschek«, entgegnete Julia knapp.
»Ach, Sie haben heute Mittag angerufen, nicht wahr?«, lächelte das Mädchen gezwungen. Offenbar war sie es gewohnt, dass Frau Schubert die Besucher selektierte und jeder, der die Ebene der Kanzlei erreichte, ihrer Höflichkeit würdig war. Finanzkräftige Kunden, schillernde Personen der Businesswelt, aber keine gewöhnlichen Polizeibeamten in abgetragenen Wintermänteln.
»Ja, mehrfach«, brummte Julia missmutig.
»Tut mir leid, aber im Normalfall hat Herr Manduschek eine Vorlaufzeit von mehreren Wochen.« Die junge Frau rümpfte die Nase. »Sie können von Glück reden, dass er bereit war, Sie so spontan dazwischenzuschie…«
»Dann klingeln Sie Ihren Herrn Manduschek mal an, meine Liebe«, unterbrach Julia sie forsch, »wir haben unsere Zeit nämlich ebenso wenig zu verschenken. Sagen Sie ihm ruhig, dass wir ihn das nächste Mal auch einfach abholen lassen können. Ach, wissen Sie was? Vergessen Sie’s einfach.« Sie winkte ab und versuchte vergeblich, mit zusammengekniffenen Augen auf den Türschildern etwas zu erkennen.
»Wo müssen wir lang?«, erkundigte sich Hellmer mit einem entwaffnenden Lächeln und sympathischer Stimme.
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