Tödlicher Absturz: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
Offenbar hatte er bemerkt, dass Julia keine weitere Lust verspürte, sich mit der Angestellten zu unterhalten. Diese murmelte ihm etwas zu, dann überquerten die Kommissare den glänzend gefliesten Raum und erreichten nach einigen Metern Lars Manduscheks Büro.
»Nett eingerichtet haben Sie es hier, ich hätte wohl doch lieber Jura studiert«, kommentierte Hellmer die elegante und zweifelsohne immens teure Einrichtung. Glas und matt gebürsteter Edelstahl dominierten das Bild, ein moderner Apple-Computer stand auf dem Tisch, die Akten waren in einem offenen Hängeregal untergebracht, und an der Wand hing ein großer, gerahmter Kunstdruck, an dem Julias Blick einen Moment lang haftenblieb.
»Roy Lichtenstein, handsigniert«, erklang es sofort aus dem Hintergrund. »Eines von nur zweihundert Exemplaren, fünfunddreißig Jahre alt, aber strahlt noch wie neu.«
»Für mich sieht es aus wie eine Comiczeichnung«, erwiderte Julia trocken.
»Das wäre allerdings ein sehr teurer Comic«, lachte Manduschek überheblich. »Allein diese Lithographie kostet fünfzehntausend, das Exemplar hier hat noch dazu eine niedrige Seriennummer, ist also für Liebhaber praktisch unbezahlbar.«
»Na ja, mein Stil ist es nicht«, fachsimpelte Hellmer. »Meine Frau hatte sich mal in einen Vasarely verguckt, ich kann aber mit diesen ganzen modernen Dingen nichts anfangen. Van Gogh, das ist was Reelles … Aber lassen wir das.«
»Klingt, als wüssten Sie, worin man sein Geld anlegen kann«, gab Manduschek anerkennend zurück. »Aber um auf Ihren ersten Kommentar zurückzukommen, denn der passt sehr gut zum Thema Geldanlage: Ich habe nicht nur Jura studiert, oh nein. Dann säße ich nicht hier oben.«
Noch mehr Selbstverliebtheit und ich platze, dachte Julia. Soll Hellmer nur machen. Gleich und Gleich gesellt sich gern … Sie begutachtete weiterhin die Einrichtung des Büros, während im Hintergrund Manduschek mit seinem BWL-Studium prahlte, welches er nebenher zu seinem Jura belegt hatte. Wie viele zusätzliche Semester er dafür benötigt hatte, verschwieg er. Julias Blick fiel auf eine seltsame Lampe in einem Regal. Der dunkle Porzellanfuß schien nicht zur restlichen Einrichtung zu passen. Der zylinderförmige Schirm war aus glänzendem, halbtransparentem Material und hatte eine Maserung wie Krokodilleder. Igitt, Schlangenhaut, kam es der Kommissarin in den Sinn, und sie erinnerte sich an einen Besuch in der Asservatenkammer des Frankfurter Flughafens vor ein paar Jahren. Was sie und ihre Kollegen dort an beschlagnahmten Scheußlichkeiten zu sehen bekommen hatten, war schier unvorstellbar. In dem Lager stapelte sich Kunst aus Schlangenhaut, außerdem Spirituosen, in denen Echsenembryos schwammen, Schildkrötenpanzer und unzählige Schnitzereien aus Tierhörnern und -knochen.
»Alles ordnungsgemäß mit dem Zoll abgeklärt«, kam Manduschek ihr erneut zuvor. »Außerdem, sage ich immer, wenn das Tier sowieso bereits verarbeitet ist … Aber Sie sind sicher nicht hier, um mein Büro zu bestaunen, wie? Ich habe noch einen Anschlusstermin, also bitte, kommen wir nun zur Sache.«
»Sehr gerne, auch wir sind nicht zum Vergnügen hier«, konterte Julia und nahm neben Hellmer auf einem bequemen Lederstuhl gegenüber Manduscheks Schreibtisch Platz. Der Anwalt schob einige Laufmappen beiseite und legte die gefalteten Hände auf den Tisch. »Was kann ich für Sie tun?«
»Sie scheinen vom Tod eines Ihrer wichtigsten Klienten nicht sonderlich gebeutelt«, begann Julia mit provozierendem Unterton.
»Die Sache mit Karl? Nun, schlimm, vor allem für seine Witwe, aber wie kommen Sie darauf, er sei mein bester Klient?«
»Einer Ihrer wichtigsten sagte ich«, korrigierte Julia und verzog den Mund.
»Das mag stimmen, tut jedoch nichts zur Sache. Über meine Klienten dürfen Sie gerne spekulieren, aber ich werde Ihnen nichts darüber verraten. Berufsethos, das kennen Sie ja selbst, nehme ich an. Möchten Sie denn über Karl reden?«
»Ja, unter anderem«, erwiderte die Kommissarin. »Wir waren heute Morgen bei seiner Witwe. Ein aufschlussreicher Besuch, wenn ich das einmal sagen darf, weitaus spannender jedenfalls als alles, was Sie oder Herr von Eisner uns bereit waren zu erzählen.«
»Wie schön für Sie«, lächelte Manduschek und neigte den Kopf zur Seite. Dann stand er auf, schritt in Richtung Fenster und ließ seinen Blick hinunterwandern. »Wissen Sie«, begann er nachdenklich, »ich nehme meinen Job sehr ernst, vielleicht zu ernst,
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