Tödlicher Absturz: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
sollte.
Verdammt, dachte sie wütend, verdammt!
Mittwoch, 15.40 Uhr
J ulia Durant und Frank Hellmer kehrten vom Dach zurück ins Innere des Gebäudes, und der Hausmeister schloss die metallene Tür wieder.
»Danke«, keuchte Hellmer und blies sich warmen Atem in die gewölbten Hände. »Seien Sie froh, dass Sie drinnen geblieben sind.«
»Ist das der einzige Zugang?«, wollte Julia wissen.
»Der einzig offizielle zumindest«, erwiderte der Mann schulterzuckend.
Sie wurde hellhörig. »Was meinen Sie damit?«
»Wartungsschächte, elektrischer Betriebsraum, Lüftungskanäle und Fensterputzanlage«, ratterte der Hausmeister herunter. »Aber das hier ist der einzige Zugang, den man unkompliziert von den Büroebenen aus erreichen kann.«
Wie schön wäre es jetzt, wenn Hubert Brack bei uns wäre, dachte Julia. Ausgerechnet heute, so hatte man den Kommissaren am Empfang erzählt, hatte er einen freien Tag.
»Feiert Überstunden ab«, war der spitze Kommentar von Frau Schubert gewesen, der es unvorstellbar schien, dass es in einem niederen Job so etwas wie Überstunden überhaupt gab. Bracks Vertretung jedenfalls, ein etwa dreißigjähriger, strohblonder Hüne mit riesigen Pranken und grauen Augen ging dem Job mit spürbar weniger Hingabe nach. Ob er zweimal am Tag zum Streuen käme, sonn- und feiertags, im Hellen wie im Dunklen? Julia bezweifelte es. Aber zum Stemmen von Klimageräten und dem Aushängen von Türen war er sicher der beste Mann. Seine Körperhaltung und zahlreiche kleine Narben auf den Händen deuteten zumindest darauf hin, dass er sein bisheriges Leben mit harter Arbeit verbracht hatte.
»Braucht man nicht einen Schlüssel, um nach draußen zu gelangen?«, erkundigte sich Hellmer und deutete auf das klappernde Schlüsselbund an der Arbeitshose des Hausmeisters.
»Klar, ohne geht’s nicht«, murmelte dieser. »Schon allein aus Versicherungsgründen.«
»Und wer hat alles einen Schlüssel für diese Tür?«
»Der Hausmeisterservice und die Gebäudetechnik, ach ja, und für Notfälle gibt’s natürlich noch einen am Empfang«, berichtete der Mann.
»Was für Notfälle?«
»Seit es im ganzen Gebäude Rauchmelder gibt, verziehen sich einige der Herrschaften gerne mal aufs Dach, um eine zu quarzen. Fragen Sie den Brack, der kann Ihnen Geschichten erzählen, sage ich Ihnen.«
»Aber ein bisschen was werden Sie uns doch auch erzählen können«, sagte Julia herausfordernd. »Die lassen doch mit Sicherheit nicht einen von Ihnen antraben, um sie aufs Dach zu lassen, oder?«
»Nein, obwohl ich das so manch einem zutrauen würde«, grinste der Hausmeister. »Doch die sind findig, wenn es um ihre Sucht geht. Zum Beispiel haben wir schon etliche Türkeile eingesammelt, immer so verklemmt, dass der Spalt nur Millimeter weit offen stand. Und einmal – aber wie gesagt, fragen Sie den Brack noch mal danach – hat jemand mit Klebeband den Schließer fixiert. Die Tür war also geschlossen, aber nicht eingerastet, nur hat man es nicht gemerkt, es sei denn, man hat an ihr gerüttelt. Bekloppt, wenn Sie mich fragen. Bei uns unten hängen diese Melder im Übrigen auch, und es ist weniger Aufwand, einfach die Batterie rauszunehmen oder ein Kabel abzupetzen. Aber so viel technisches Verständnis könnt ihr von diesen Lackaffen nicht erwarten.« Mit dem Daumen deutete er abfällig hinter sich, als stünden dort Dutzende der von ihm offenkundig verachteten Geschäftsleute.
»Abgesehen davon, dass die meisten Melder auf Zigarettenrauch überhaupt nicht reagieren«, kommentierte Julia und warf dem Hausmeister einen vielsagenden Blick zu.
»Ja, oder so«, grinste dieser. »Und wenn sie verplombt sind, nimmt man einen Einweghandschuh … Kommen Sie mal unten bei uns vorbei, da können Sie noch was lernen.«
»Danke, ich habe gerade aufgehört«, lehnte Julia Durant ab.
Vor ihrer Visite des Gebäudedachs, welche ihnen keine neuen Erkenntnisse gebracht hatte, waren sie am Empfang, in von Eisners Büro und in dessen Vorzimmer gewesen. Doch weder von Frau Schubert noch von den Sekretärinnen hatten sie etwas Neues erfahren können. Karl von Eisners Personal hatte bis auf weiteres freibekommen, die Damen hielten sich zu Hause auf Abruf verfügbar, und die eingehenden Gespräche wurden über eine Telefonzentrale abgefangen und entsprechend abgefertigt. Auf Anweisung seiner Witwe hin ruhte das Tagesgeschäft. Mittlerweile waren auch die Räume der Firma forensisch untersucht worden, auch wenn sich niemand davon
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