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Tödlicher Applaus

Tödlicher Applaus

Titel: Tödlicher Applaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Øystein Wiik
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und schwor den Verantwortlichen Rache. Einige Verfasser stützten die These, dass es sich um einen Terroranschlag handelte, und spekulierten bereits darüber, welche Terrorgruppe dahinterstehen könnte. Bis jetzt hatte sich aber noch niemand zu der Tat bekannt.
    Sie haben recht, dachte er, es ist ein Terroranschlag. Rudi Maier betrieb tatsächlich Kriegsführung, nur nicht so, wie sie glaubten, die Kräfte waren eher ungleich verteilt. Er hatte sich viele Gedanken darüber gemacht, wie er den größtmöglichen Effekt mit dem geringstmöglichen Einsatz erreichen konnte. Wie konnte er einen Kampf David gegen Goliath gewinnen, und wie musste seine Steinschleuder beschaffen sein? Dass man jetzt glaubte, Terroristen stünden hinter dem Anschlag, verschaffte ihm ein bisschen Luft. Vermutlich würde man diese These nach einiger Zeit wieder fallen lassen. Die Leute waren ungeheuer schnell dabei, Terroristen als Drahtzieher gewalttätiger Aktionen zu verurteilen.
    Medina war noch am Leben. Er musste etwas tun. Rudi Maier war ein hervorragender Scharfschütze und hatte deshalb nicht mit dieser Wendung der Dinge gerechnet. Aber im Krieg muss man improvisieren .
    Er legte sich auf das dunkle Parkett, um seine Gedanken zu sortieren. Die Kühle des Bodens besänftigte das wilde Klopfen seines Herzens etwas. Er besaß jede Menge geklaute Identitäten, das war nicht das Problem. Er hatte diverse Briefkästen ausgeräumt, Passdaten gestohlen, IP-Adressen, Pin-Codes und Kreditkarten, bevor er zur Tat geschritten war. Im Augenblick operierte er unter dem Namen David Goldberg. Sobald er wieder in Wien war, würde David Goldberg ganz einfach verschwinden.
    Sein Handy klingelte. Die Nummer war ihm bekannt. Er brauchte Nummern nicht zu speichern, er hatte ein fotografisches Gedächtnis.
    »Hier ist Celeste.«
    Celeste war Katja Hennings Künstlername, und Rudi war es gewesen, der Katja engagiert hatte, damit sie James Medina bediente.
    »Hast du das mitgekriegt?« Katjas Schuldeutsch hatte einen deutlich hörbaren norwegischen Akzent.
    Rudi wollte nicht, dass Katja ihn anrief, und er wollte vermeiden, lange mit ihr zu telefonieren. »Ja.«
    »Ich war da … Es war so grauenvoll …«
    »Kannst du nicht ein Taxi nehmen und in den Dalsveien 75 kommen, jetzt gleich?«
    »Bist du in Oslo?«
    »Ja. Komm möglichst sofort.«
    Ein Plan läuft nie nach Plan . Rudi war mit dieser Weisheit groß geworden. Aber auf diese Entwicklung war er nicht vorbereitet. Es war vereinbart gewesen, dass Katja Henning die Oper gleich nach Erledigung ihres Auftrags wieder verlassen sollte. Ihr Zugticket, das Hotel und ihr Honorar waren bar beglichen worden. Es gab nichts, das sie mit ihm in Verbindung brachte, sah man einmal von diesem idiotischen Gespräch ab. Jetzt musste er ihr eine glaubwürdige Geschichte auftischen. Nachts um 1.30 Uhr.
    Theoretisch könnte er nach dem Vorfall mit einem Privatjet von Kopenhagen gekommen sein. Zum Glück hatte er schon alles gepackt, um jederzeit aufbrechen zu können, sodass es für sie durchaus so aussah, als wäre er gerade erst angekommen. Rudi hoffte inständig darauf, dass ihm eine glaubhafte Erklärung für sein Hiersein einfiel, glaubhaft für sie und für ihn.
     

Michael Steen
    Auf einer Insel in den schwedischen Schären brannte noch Licht hinter einem Fenster. Der alte Mann, bei dem das Licht brannte, war diesen Abend wie angewurzelt vor dem Bildschirm gesessen und stand erst jetzt auf, um seine immer steifer gewordenen Glieder zu strecken. Er massierte seine Arme und Beine, um den Blutkreislauf in Gang zu setzen. Als er den Fernseher ausschaltete, war die Stille wohltuend intensiv.
    Er ging über den abgelaugten Holzboden des Wohnzimmers, die Schritte im Takt mit dem Ticken der alten Standuhr, und warf einen Blick ins Zimmer nebenan, in dem seine Tochter schlief. Ob sie träumte? Er wusste es nicht, glaubte aber den Anflug eines Lächelns auf ihren Lippen zu erkennen. Die Gerechtigkeit braucht Zeit, dachte er. Zu guter Letzt wird alles gut. Er betrat das Zimmer, küsste seine Tochter auf die Stirn, schloss vorsichtig die Tür und ging zurück durch das Wohnzimmer und auf die Terrasse.
    Der Sternenhimmel war wundervoll, der Augustmond schimmerte silbern, und das Meer war glatt wie ein Spiegel. So war es auch in jener Spätsommernacht gewesen, als seine Frau ihn angerufen und ihm mitgeteilt hatte, dass er Vater wurde.
    Er war allein auf dem Landsitz gewesen, war noch stundenlang draußen sitzen geblieben, hatte

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