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Tödlicher Applaus

Tödlicher Applaus

Titel: Tödlicher Applaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Øystein Wiik
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es gewesen, dass sie so viel wie möglich von der großen, weiten Welt kennenlernte. Ihre Wahl war auf Wien gefallen und auf ein Studium der Kunstgeschichte. Der »Nebenjob« war ein willkommener Zuschuss zum kargen Studentenbudget.
    Katjas Aussehen führte einen leicht in die Irre. Sie sah so blendend aus, dass man automatisch dachte, sie müsse auch Selbstbewusstsein im Übermaß haben. Aber das traf nicht zu. Sie vereinte in sich eine merkwürdige Mischung aus Selbstbewusstsein und Unsicherheit, Naivität und Zynismus. Und sie bog sich die Wahrheit zurecht. Wo andere einen alten Sack sahen, sah sie den Prinzen. Bog man sich die Wahrheit jeden Tag ein ganz klein wenig mehr zurecht, war sie irgendwann kaum noch wiederzuerkennen. Rudi unterstützte sie darin nach Kräften, als er ihr einredete, Medinas Auftritt in Oslo stünde und fiele damit, dass sie in seiner Garderobe die Kleider fallen ließ, bevor er E lucevan le stelle sang. Naiv? Gutgläubig? Bog man die Wahrheit lange genug zurecht, akzeptierten die meisten Menschen das Unakzeptable.
    Rudi massierte seine Schläfen, während er darauf wartete, dass das Programm, das er heruntergeladen hatte, Katjas Website löschte, und zwar so vollständig, dass nicht einmal die IT-Experten der Polizei diese wiederherstellen konnten. Er gab eine Reihe komplizierter Befehle ein, während er bereits über das nächste Problem nachdachte. Was sollte er mit Medina machen?
    »Fertig«, sagte er lächelnd.
    »Dann kannst du zum Essen kommen«, sagte sie.
    Sie hatte den Tisch gedeckt und Rotwein nachgeschenkt. Kerzen, Servietten, hübsches Geschirr. Das einfache Omelette schmeckte köstlich. Sie sprachen über Gott und die Welt, und Katja war geistreich, humorvoll. Mit belustigtem Erstaunen registrierte Rudi seine merkwürdige Ruhe und das Gefühl von Harmonie, obwohl er gerade eine unbekannte Anzahl Menschen umgebracht hatte. Grauenvoll, dachte er. Die Welt ist wirklich grotesk.
    »Zum Wohl«, sagte sie.
    »Zum Wohl, auf uns«, antwortete er.
     

Cathrine Price
    Tom Hartmann versuchte, den Blick scharfzustellen. Es war, als wäre seine Netzhaut von einer Schicht Schleim überzogen, die hin und her rutschte und beständig einen Teil seines Sichtfeldes verdeckte, wie viel er auch blinzelte. Er lag in weißer Bettwäsche, auf einem weichen Kissen. Es roch nach Kernseife und Krankenhaus. Links neben seinem Bett saß eine junge Frau.
    »Ich wollte mich bei Ihnen bedanken, dass Sie mir das Leben gerettet haben.«
    Trotz seiner Probleme, den Blick scharfzustellen, erkannte Tom die Frau vom Vorabend sofort wieder, die nach der Pause Stein Jørgensens Platz eingenommen hatte. Dann hatte sie also überlebt. Tom spürte so etwas wie Freude in sich aufkeimen. »Nichts zu danken. Das hätte auch richtig schiefgehen können.« Tom räusperte sich. Seine Stimme war kratzig wie Sandpapier. Sie war hübsch. Er sah in ihre veilchenblauen Augen und stutzte. Waren sie gestern Abend nicht grün gewesen? Die Beleuchtung im Zuschauerraum musste ihm einen Streich gespielt haben. Salzwassergebleichtes Haar, Jeans und ein schlichtes Baumwolltop. Sonnengebräunte Füße in hochhackigen Sandalen.
    »Hätten Sie nicht meine Hand genommen …«
    Tom wusste nicht, was er sagen sollte. Sie war zu schön, und er war nicht cool genug, um ihr ein Kompliment zu machen. Stattdessen flachste er. »Dann hätten Sie nicht riskiert, vom eisernen Vorhang in zwei Teile geschnitten zu werden. Wie haben Sie mich …?«
    »Ihre Visitenkarten waren Ihnen aus der Tasche gefallen und lagen neben Ihnen. Sie waren bewusstlos, als die Sanitäter Sie abgeholt haben.«
    Er sah sie an. Sie musste einiges an Zeit und Mühe investiert haben, um ihn aufzuspüren. Er konnte nicht umhin, sich geschmeichelt zu fühlen. »Gehen wir irgendwann mal zusammen einen Kaffee trinken?«
    Sie lächelte bedauernd und schüttelte den Kopf. »Ich fahre in ein paar Stunden ins Ausland.«
    Tom ließ den Kopf zurück ins Kissen sinken. Typisch. Nicht einmal als Lebensretter hatte er Glück bei den Frauen. »Haben Sie eine Handynummer?«
    »Ich habe ja Ihre Karte. Ich heiße …«
    »Tom, ich hab mir ja solche Sorgen um dich gemacht!« Cathrine Price kam ins Zimmer gestürmt, blieb abrupt stehen, als sie die unbekannte Frau an Toms Bett sah, und maß sie von Kopf bis Fuß mit dem Blick. Die Frau schien unangenehm berührt und verließ wortlos den Raum.
    Tom war enttäuscht und bedachte Cathrine mit einem vorwurfsvollen Blick. Seine Exfrau hatte ein

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