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Tödlicher Applaus

Tödlicher Applaus

Titel: Tödlicher Applaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Øystein Wiik
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Sternschnuppen gezählt und sich das Beste für sein noch ungeborenes Kind gewünscht.
    Seine Wünsche waren nicht in Erfüllung gegangen. Er zählte keine Sternschnuppen mehr, erinnerte sich aber an die Worte Immanuel Kants über die zwei Dinge, die das Gemüt mit immer neuer Bewunderung und Ehrfurcht erfüllen: der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir.
    Victor Kamarov hatte an diesem Abend einen schweren Verlust einstecken müssen. Würde ihm das die Augen öffnen? Erkannte er nun endlich, was er getan hatte? Verdrängung war eine Kunst, die ein Mensch wie Kamarov perfekt beherrschte.
    Auch heute Abend verloschen viele Sterne. Aber der alte Mann hütete sich davor, sich irgendetwas zu wünschen. Diesmal würden seine Wünsche in Erfüllung gehen, ohne Zutun der Sternschnuppen.
    Seine Armbanduhr gab ein Signal von sich. Er warf einen Blick auf das Zifferblatt. Es war an der Zeit, Anna umzulagern, damit sie sich nicht wund lag.
    Michael Steen blickte zufrieden über das spiegelglatte Meer. Dann drehte er sich um und ging ins Haus, um sich um seine Tochter zu kümmern.
     

Katja Henning
    Rudi rückte den Schlips zurecht, fuhr mit den Fingern durch die blonden Locken und ging zur Wohnungstür, um Katja Henning zu öffnen. Er hatte Kerzen angezündet und Musik aufgelegt. Josh Groban, nach seinem Geschmack Opera light, aber bei Frauen zeigte diese Musik meist Wirkung.
    »Willst du Latte, Cortado, Americano oder Cappuccino?«, fragte er und ging im Kopf rasch verschiedene Exekutionsmöglichkeiten durch.
    Katja sah überrascht und verwirrt aus. Mit dieser Frage schien sie am allerwenigsten gerechnet zu haben.
    Von der lebensfrohen jungen Frau, die er in Wien kennengelernt hatte, war momentan nicht mehr viel übrig. Rudi legte seine Hände sanft auf ihre Schultern und geleitete sie in die Küche.
    »Vielleicht … vielleicht einen Cortado?«
    Rudi nickte und drückte auf eine Taste an einer Maschine, die an das Landungsfahrzeug eines Raumschiffes erinnerte und nur aus Chrom und Knöpfen zu bestehen schien. Die ganze Küche war hochgerüstet mit neuester Technologie, ein Arrangement aus Stahl und Granit, und mit Küchengeräten ausgestattet, die aussahen wie aus der Designerwerkstatt von Ferrari.
    »Ich konnte die Wohnung ganz kurzfristig von einem Freund übernehmen. Kamarov wusste, dass ich in Kopenhagen war, und hat mich mit seinem Privatjet hierherbeordert, als er von der Tragödie erfahren hat.« Er sah sie an und dachte an die unglaubliche Infrastruktur des menschlichen Körpers, Muskeln, Nerven, chemische Prozesse, Sehnen, elektrische Impulse, und dass es all das brauchte, um einem anderen eine solche Lüge aufzutischen. What a piece of work is a man! And yet, to me, what is this quintessence of dust?
    Die Kaffeemaschine stampfte und röchelte und tönte wie ein voll besetztes Orchester. Er stellte die Tasse mit dem dampfend heißen Kaffee vor sie hin, während sie sich die Tränen von den Wangen wischte. Dann ging er zu ihr und fuhr ihr sanft mit dem Finger über das Gesicht.
    »Sollte ich nicht zur Polizei gehen?«
    Jetzt fauchte und hustete die Kaffeemaschine erneut, und Rudi stand auf, um sich seine Tasse zu holen. Er blieb mit dem Rücken zu Katja stehen, als wöge er die Antwort auf diese Frage ernsthaft und mit Bedacht ab. Dann hatte sie also noch nicht mit der Polizei gesprochen. Das war gut. Er drehte sich um und sah Katja voller Mitgefühl an: »Wer weiß alles, dass du hier bist?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Niemand. Nicht einmal meine Mutter.«
    Rudi seufzte und lauschte dem Violinsolo in Josh Grobans Version von Il Postino . Balsam für angespannte Nerven. »Sobald du dich besser fühlst, solltest du das tun.« Die Violine schraubte sich vorsichtig zu den höchsten Pianissimotönen hoch. Ebenso vorsichtig setzte Rudi seine Worte. »Aber hat das für die Ermittlungen irgendeine Bedeutung?«
    »Wie meinst du das?« Jeder Blick von ihr war ein Flehen nach einem Rettungsring.
    »Von mir werden sie nichts erfahren. Und ich glaube, auch die Oper wird nicht sonderlich redselig sein.«
    »Nicht?« Katjas Anspannung ließ ein wenig nach.
    »Glaubst du wirklich, die Leitung der norwegischen Oper räumt ein, dass in ihren Mauern Prostitution betrieben wird?«
    Jetzt kamen ihr die Tränen erst richtig, aber damit hatte Rudi gerechnet. Katja war verzweifelt, und er spann sie weiter ein in ein Netz aus Gedanken, das es ihr unmöglich machen würde, zwischen richtig und falsch zu

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