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Tödlicher Applaus

Tödlicher Applaus

Titel: Tödlicher Applaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Øystein Wiik
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einen Teil des äußeren Wiener Rings ausmachte und mit seinen Sexshops und Bordellen auch als »Gürtel der Sünde« bezeichnet wurde. Die Mädchen in ihren hohen Lackstiefeln und bunten Bodys standen wie aufgereiht da und priesen ihre wohlgeformten Körper, ihre Vorzüge aggressiv feil.
    Die Wohnung, die Victor Kamarov mieten wollte, lag an der Ecke Koppstraße. Neben der Eingangstür begegneten sie einem weiteren Paar Lackstiefel, in dem zarte Mädchenbeine steckten.
    »Mit eigenem Bodyguard«, witzelte Kamarov.
    »Wie wär’s mit uns Dreien?«, fragte das Mädchen.
    »Das kannst du dir gar nicht leisten«, gab Kamarov grinsend zurück und drückte auf die Klingel.
    Medina zwang sich mit aller Macht dazu, das Mädchen nicht anzustarren. Sie sah überraschend gesund aus. Bestimmt war sie noch neu.
    Der Mann, der ihnen öffnete, machte den Eindruck, als koste er das Leben in vollen Zügen aus. Jede Pore seines aufgedunsenen Gesichts sang ein Lied über den Preis des Lasters. Auf dem Kopf trug er ein Toupet, das an den Rändern verfärbt war. Der Übergang zu seinen eigenen, spärlich wachsenden Haaren weckte unwillkürlich Assoziationen an weit fortgeschrittenes Waldsterben. Trotzdem machte er einen gewandten und selbstsicheren Eindruck. Der seidene Hausmantel, den er über einer grauen Hose und einem weißen Hemd trug, gab ihm etwas Vornehmes. Das schwarze Schaf einer ansonsten feinen Familie, mutmaßte Medina, das sich auf Charme und Eleganz verstand, wenn die Umstände es erforderten.
    »Richter«, sagte der Mann und streckte ihnen die Hand entgegen.
    Medina schauerte bei dem Gedanken, ihm die Hand geben zu müssen, während Kamarov diese herzlich schüttelte.
    Die Wohnung war ein vierzehn Quadratmeter großes Loch. Das Bett war in die Wand eingelassen und musste zum Schlafen heraus- und nach unten geklappt werden. Waschmaschine und Herd befanden sich eingezwängt in einen Wandschrank, und als Garderobenschrank diente eine Vorrichtung, die man aus dem Boden zog. Hier gab es definitiv keinen Platz für Unordnung. Die Wohnung hatte alles, was man brauchte, man musste sie nur nach gewünschter Funktion umbauen. Die Toilette befand sich draußen auf halber Treppe. Fenster gab es keine, nur ein kleines Guckloch zum Hinterhof, das sich hoch oben an der Schmalseite des Raumes befand.
    »Perfekt«, sagte Kamarov, drückte dem Vermieter fünfhundert Schilling in die Hand und schob ihn freundlich, aber bestimmt durch die Tür nach draußen. Dann zog er eine gepolsterte Klappe mit einem üppigem Bezug herunter, die vermutlich als Sofa gedacht war.
    Medina musste unwillkürlich an die Zelle eines Klosters denken.
    Kamarov öffnete die Champagnerflasche, die sie sich unterwegs gekauft hatten, nahm zwei billige Gläser aus dem Küchenschrank und goss sie randvoll.
    »Bald trinken wir aus feinsten Kristallgläsern.« Victor lächelte ein Wolfslächeln. »Ich muss schlafen«, sagte er plötzlich. »Ich nehme morgen an einem Klavierwettbewerb teil. Kommst du und hörst zu? Das Ganze findet im Musikverein statt. Ich werde Chopins h-moll-Sonate spielen. Die ist teuflisch schwierig.«
    Medina nickte ergeben. Victor Kamarov stürmte wie ein wild gewordenes Pferd voran und trampelte jeglichen Widerstand nieder, abgesehen davon war der Sänger James Medina nicht gerade ausgebucht. Der morgige Tag war frei, er hatte weder eine Verabredung noch ein Engagement. Da konnte er auch diesem russischen Energiebündel zuhören. Er war müde und wünschte, dass wenigstens ein bisschen von dem draufgängerischen Mut dieses Mannes auf ihn abfärben möge.
    Kamarov schlief bereits.
    James Medina schlich aus der Wohnung und zog die Tür hinter sich zu. Draußen auf der Straße ertappte er sich dabei, dass er nach einem bestimmten Paar Lackstiefel Ausschau hielt. Aber sie waren nicht da. Vermutlich waren sie engagiert worden.
     

David gegen Goliath
    »Vater, ich habe gesündigt.«
    »Deine Sünden sind dir vergeben.«
    Nur diese wenigen Worte wurden gesagt. Wie abgesprochen. Rudi Maier beendete das Gespräch. Es tat gut, Vater Joachims Vergebung zu bekommen.
    »James Medina lebt!« – »Medina atmet noch!« Im Internet fanden sich bereits einige Artikel über die Tragödie in der Oper. Einer dieser Beiträge wusste zu berichten, dass Medina in die Notaufnahme des Ullevål Universitätskrankenhauses gebracht worden war. Sein Zustand sei kritisch, aber stabil. Victor Kamarov, Medinas Manager, drückte in einem verlinkten Artikel seine Empörung aus

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