Tödlicher Applaus
mir Zeit lassen«, sagte er und führte Richter ins Bad.
Wasserhähne aus Gold und Fliesen aus Marmor und Naturstein zierten das Badezimmer, und überall standen Kerzenständer und chinesische Porzellanschalen mit Duftäpfelchen aus Zedernholz. Rudi zündete die Kerzen an und dimmte die Spots an der Decke. Er drehte den Wasserhahn auf und machte sich daran, Richter auszuziehen.
»Ich bin der glücklichste Mann auf diesem Erdenrund«, stöhnte der Alte genüsslich.
Und wieder legte Rudi ihm einen Zeigefinger an die Lippen, als wolle er sagen: Das bleibt unter uns. Er betrachtete Richters schwammigen Körper und den von Altmännerwarzen übersäten Hals. Graue Haarbüschel auf Rücken und Brust. Schlaffe Arschbacken. Der Hodensack groß und geschwollen, der Schwanz halb steif.
»Komm!« Rudi führte ihn zur Badewanne und stützte ihn, damit er beim Einsteigen nicht ausrutschte. Dann nahm er einen Waschlappen und begann, Richters Rücken zu waschen. Er glitt mit dem Lappen abwärts und nach vorn auf den Bauch. Dann zog er ihn jäh zurück, als habe er es sich anders überlegt. Richter spürte den intensiven Pulsschlag der Erregung in seinen Ohren.
»Ich hole das Dessert.« Ohne eine Antwort abzuwarten, verließ Rudi das Bad und ging in die Küche. Auf dem Rückweg nahm er die Rosenblätter mit und zog eine kleine Kapsel mit klarem, zähflüssigem Inhalt aus der Tasche. Der Weg ins Nirwana. Rudi lächelte und klopfte kokett an die Badezimmertür.
»Herein.« Richters Stimme war heiser vor Geilheit.
Rudi streute eine Hand voll Rosenblätter über Richter, der mit den Händen im Schritt dalag. Der strenge Geruch seines Geschlechts, gemischt mit dem Zedernduft stieg Rudi in die Nase. »Mein Rosenkavalier«, sagte er.
Richter errötete.
Rudi schüttete die restlichen Rosenblätter ins Bad. Dann legte er ein einzelnes Blatt auf die Crème brûlée und benetzte sie mit einem Tropfen aus der Kapsel. »Nach diesem Dessert wird er dir mehrere Stunden stehen. Das ist das stärkste Aphrodisiakum, das es gibt. Es wird aus einer asiatischen Pflanze gewonnen.« Rudi stach einen Löffel von dem Dessert ab, gekrönt von dem Rosenblatt. »Ein Löffel für den König«, scherzte er.
Richter öffnete gierig den Mund. Er würde allen Fingerzeigen des jungen Mannes willig folgen, um jede weitere Verzögerung zu vermeiden. Er war schon jetzt bis an die Grenze des Unerträglichen aufgeladen. Doch in dem Augenblick, als er den Bissen hinunterschluckte, bereute er seine Hingabe. Eine Stimme aus der Tiefe des Nebelmeeres seiner sexuellen Begierde sagte ihm, dass er soeben sein Schicksal besiegelt hatte. Das Rosenblatt hatte einen bitterscharfen Beigeschmack, und sein Hals begann unmittelbar zuzuschwellen.
»Noch einen Löffel?« Rudi lächelte engelsgleich, und Richter wurde wieder ruhig. Rudi legte eine Hand auf seine Stirn. »Mein Rosenkavalier.«
Richter spürte, wie sich eine merkwürdig krampfartige Lähmung in seinen Beinen ausbreitete. Aber er klammerte sich an Rudis sanfte Stimme und seine zärtlichen Gesten.
»Wie lange habe ich von diesem Augenblick geträumt«, flüsterte Rudi. »Tag und Nacht habe ich es vor mir gesehen: Sie, nackt in einer Badewanne, Ihr Körper in einem Sarg aus Rosenblättern. Mein Rosenkavalier.«
Richter fror, die Lähmung breitete sich weiter aus, das Atmen fiel ihm zunehmend schwerer. Aber er konnte sich nicht vorstellen, dass Rudi etwas Derartiges täte. Rudi würde doch nicht … Ließ sein Herz ihn im Stich? Das Make-up lief über seine Wangen, er musste würgen. Er wollte aus der Wanne aufstehen, aber Rudi drückte ihn sanft zurück ins Wasser. Inzwischen strahlte die Lähmung bis in die Arme aus. »Hilfe.« Richter bekam einen Hustenanfall. Seine Lungen stachen, wie von Eisnadeln durchbohrt. Die Zunge schwoll an. Sah er da einen Funken irrer Freude in Rudis Augen?
»Noch einen Löffel?« Der nächste Bissen Crème brûlée schwebte bereits vor Richters Mund. »Für die Königin? La Regina? Einen Löffel für Gina?« Rudi zwang Richter den Dessertlöffel zwischen die Lippen. Der spuckte verzweifelt aus wie ein Kleinkind, das seinen Brei nicht essen will. Rudi sammelte die Bröckchen geduldig mit dem Löffel zusammen und drückte sie wieder in seinen Mund.
»Hilfe, bitte!« Auch Richters Stimmbänder waren jetzt geschwollen, er konnte die Worte kaum formen.
»Lassen Sie mich die Geschichte von Lakmé erzählen, der dem Schmerz des Lebens entfloh, indem er das Gift eines Pflanzenblattes zu
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