Tödlicher Applaus
Goldtellern auf dem Esstisch um die Wette glänzen konnte. Richter gab ihm einen Klaps auf den Hintern. Der Junge drehte sich lächelnd um. Aber Richter hatte heute keine Lust auf Asylantenfleisch. Er erwartete einen besonderen Gast zum Abendessen.
Über viele Jahre hatte Richter seine Bedürfnisse mit jungen, illegalen Einwanderern befriedigt. Die Vereinbarung mit Stan Vasilov hatte sich für ihn mehr als ausgezahlt. Die Jungen erledigten die anfallenden Arbeiten in dem Mietshaus in der Koppstraße und standen darüber hinaus für nächtliche Dienste zur Verfügung. Als Gegenleistung hatten sie freie Kost und Logis. Richter, der aus einer alten, vornehmen Familie stammte, nannte die Jungen seine »Eleven«. Er sprach sie mit Vorliebe mit einem Doktortitel oder einem militärischen Rang an.
»Leutnant Khatib, abtreten!« Der Junge schlug die Fersen zusammen und verschwand. Nachts, wenn die Bedürfnisse drängten, rief er sie zu sich, in seine große Wohnung im Dachgeschoss. Die Jungen wussten, dass sie sich keine Sorgen zu machen brauchten, solange Richter sie zu sich bestellte. Wollte er sie nicht mehr, mussten sie sich nach einer anderen Bleibe umsehen. Aus diesem Grund übertrafen sie sich gegenseitig darin, ihn zu befriedigen.
Richter betrieb das Mietshaus als ein sogenanntes Hotel Garni. Die meisten seiner Gäste blieben nicht länger als ein, zwei Stunden. Nur Richters Wohnung erinnerte in nichts an ein Stundenhotel. Sie war mit den wertvollsten Antiquitäten möbliert, Gobelins aus dem 17. Jahrhundert, alten persischen Teppichen, chinesischen Vasen. Es roch nach altem Geld. Er würde einen »Seven C’s« -Abend für seinen Gast geben: C hampagne, Caviar, Chateaubriand, Crème brûlée, Cigars, Café & Cognac . Und wenn alles lief, wie Richter sich das vorstellte, würde sich das achte Cganz von selbst ergeben: Coitus . Richter musterte sich im Spiegel und rückte das Toupet zurecht, damit es frech und verwegen aussah. Ja, ja, der gute alte Richter hat nach wie vor Schlag, dachte er.
Der junge Kerl hatte ihn regelrecht angemacht. Angefangen hatte es während eines Konzertes im Musikverein. Marina Armstrong, eine der größten Harfinistinnen der Welt, hatte einen Soloabend gegeben. Im Laufe des Konzerts hatte Richter Blickkontakt mit einem jungen Mann in der Reihe neben seiner gehabt. Anfangs hatte er es für einen Zufall gehalten, aber dann waren sich ihre Blicke immer häufiger begegnet, und in der Pause war der junge Mann zu Richter gekommen und hatte sich vorgestellt.
Der Jüngling erwies sich als geschulter Bursche. Er erklärte, er habe sich schon immer für die Harfe begeistert und habe Richters Finger beobachtet, als die Armstrong spielte. So sei er zu dem Schluss gekommen, dass Richter selbst Harfe spiele, so wie seine Finger im Takt mit Armstrongs Spiel zuckten. Richter war verdutzt und zugleich geschmeichelt gewesen von der Aufmerksamkeit dieses hübschen jungen Mannes. Außerdem schlug er eine Saite in ihm an, eine Erinnerung, ein Gefühl – er konnte es nicht genau benennen. Vielleicht war Richter aber auch nur dabei, sich Hals über Kopf zu verlieben. Zu seiner Freude hatte der junge Mann seine Einladung zu einem Harfenabend mit »Seven C’s« bei ihm in der Koppstraße angenommen.
Richter beklopfte seinen Hals mit Hermès Orange Verte Eau de Toilette. Dann ging er ins Wohnzimmer und zündete die Kerzen in dem silbernen Kandelaber an. Als es klingelte, machte Richters Herz einen Hüpfer. Er regelte die Lautstärke der Stereoanlage und zählte langsam bis dreißig, um sich nicht den Anschein zu geben, als habe er nur auf seinen Gast gewartet. Dann ging er und öffnete die Tür.
»Hallo, tut mir leid, dass ich mich verspätet habe. Ich saß in einem wichtigen Meeting fest.«
Er war wie eine frische Sommerbrise. Blonde, lange Locken und strahlend blaue Augen. »Rudi, freut mich, dass Sie da sind.«
Rudi hatte zwei Tragetaschen voller Rosenblätter mitgebracht.
»Was ist das?« Richter war schon jetzt ganz benommen.
»Überraschung«, sagte Rudi und küsste Richter leicht auf den Hals. »Das duftet ja göttlich, und ich habe einen Bärenhunger.«
Richter schwänzelte ins Wohnzimmer und nahm einen Rosé Moët et Chandon aus dem Silberkühler. Seine Hände zitterten, als er den Champagnersäbel von der Wand nahm.
»Lassen Sie mich das machen«, sagte Rudi und nahm Richter Flasche und Säbel ab. Mit einem elegant-beherzten Schlag kappte er den Verschluss von der Flasche, wobei er Richter
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