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Tödlicher Applaus

Tödlicher Applaus

Titel: Tödlicher Applaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Øystein Wiik
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sich nahm.«
    Richters Körper wurde von Fieberkrämpfen geschüttelt. Seine Augen traten aus den Höhlen hervor.
    »Lakmé nahm ein schnell wirkendes Gift. Die Menge, die Sie zu sich genommen haben, kann durchaus lebensbedrohlich sein. Das Gift stammt aus der Cassavapflanze, eine Art natürliches Zyanid. Das ist mein Beitrag zu den ›Seven C’s‹ Champagne, Caviar, Chateaubriand, Crème brûlée, Cigars, Cognac und – Cyanid. Ach, jetzt hätte ich es beinah versäumt, mich für das Essen zu bedanken. Eine köstliche Mahlzeit, mein Rosenkavalier. Ich denke, ich gönne mir noch ein Glas Cognac. Der sah fantastisch aus. Welche Marke war es noch gleich?«
    Richter strengte sich bis an seine Grenzen an, etwas zu sagen, bekam aber kein Wort über die Lippen.
    »Ich werde selbst nachsehen!«
    Richter sah den Todesengel von dannen schweben, während er versuchte, den Sinn des Ganzen zu verstehen. Wieso sollte Rudi ihn umbringen wollen? Die Schmerzen waren unerträglich, und sein Bewusstsein zog sich zurück. Er bereute bitterlich, dass er sich nicht besser im Griff gehabt hatte.
    Die Tür flog auf, und ein strahlender Rudi trat herein. »XO Rémy Martin. Sie sind verrückt, das ist doch viel zu teuer! Sie verwöhnen mich zu sehr! Ich habe übrigens noch ein kleines Geschenk für Sie dabei. Einen Rasierapparat.« Rudi lachte über seinen eigenen Witz.
    Er zog einen Elektrorasierer aus der Tasche, steckte ihn ein und hockte sich auf den Rand der Badewanne. »Ihre Haare sind etwas zu lang, wenn Sie mich fragen. Finden Sie nicht auch?« Mit einem Ruck riss Rudi Richter das Toupet vom Kopf. Die Gumminoppen auf der Innenseite hinterließen leuchtend rote Druckstellen auf der Kopfhaut, die von pigmentlosen Flecken entstellt war.
    Richter wollte sich an den Kopf fassen, konnte die Arme aber nicht heben.
    »Kurz im Nacken und voll über den Ohren?« Rudi stellte den Apparat an. »Hier ist eine ruhige Hand gefragt, damit der Rasierer nicht ins Wasser fällt.« Er setzte das Scherblatt an der rechten Schläfe an und ließ es sich zum oberen Rand des schwarz gefärbten Haarkranzes durchfressen. Rudi beugte sich vor und flüsterte Richter ins Ohr: »Ich soll Grüße von Vater Joachim ausrichten.«
    Richter glotzte Rudi entgeistert an. Durch die heftigen Krämpfe hindurch wurde das vage Déjà-vu-Gefühl zur grausamen Gewissheit.
    »Sag mir eins …« Rudi wechselte zu einem lockeren Tonfall über. »Ich hatte immer die Vermutung, dass Vater Joachim eigentlich einen anderen Namen hat. Stimmt das?« Er legte den Rasierapparat auf den Toilettendeckel. Richters Blick verriet ihm, dass er ins Schwarze getroffen hatte. »Wenn Sie mir verraten, wie er wirklich heißt, verschone ich Sie.«
    Richter war zwischen Todesangst und der aufkeimenden Hoffnung hin- und hergerissen: Angst, weil er zu ahnen begann, wer Rudi Maier war, Hoffnung, weil Maier ihm einen Deal angeboten hatte. Er bewegte seine Lippen, brachte aber keinen Ton heraus.
    »Kommen Sie, das können Sie doch sicher besser!« Rudis Stimme hatte etwas aufrichtig Aufmunterndes.
    Richter versuchte es noch einmal, und mit einer wahnsinnigen Kraftanstrengung gelang es ihm, den Namen mit den Lippen zu formen. Es kam nur ein trockenes Wispern, aber für Rudi war es deutlich genug. Er hatte es geahnt. Trotzdem wühlte die Neuigkeit ihn auf. Er wiederholte den Namen laut, um sicherzugehen, dass er sich nicht verhört hatte, und Richter deutete ein Nicken an und sah flehend zu Rudi auf. Seine Augen waren von schwarzer Schminke umrändert.
    Rudi konnte seine Wut nicht mehr zurückhalten. »Du siehst aus wie ein Waschbär. Soll ich das Nachtgebet für dich singen, bevor ich das Licht ausmache?« Rudi summte ein paar Takte aus der Turm-Arie – »E non ho amato mai tanto la vita … Ich habe versprochen, dich gehen zu lassen« – und nahm den Rasierer wieder in die Hand. »Und meine Versprechen halte ich. Fahr zur Hölle!«
    Es zischte und knisterte, als Rudi den Rasierapparat ins Wasser fallen ließ. Richters Körper zuckte und vollführte einen grotesken Tanz im Wasser. Es roch nach versengter Haut. Dann sprang die Sicherung heraus. »Gute Nacht, Richter, grüß den Teufel von mir!«
    Rudi ging ins Wohnzimmer, um die Spuren des Abendessens zu beseitigen. Er räumte penibel alle Teller, Gläser und Bestecke zusammen und schaltete die Spülmaschine ein. Töten hatte etwas wunderbar Friedliches. Danach spülte er die Pfannen und Töpfe und wischte eventuelle Fingerabdrücke von den

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