Tödlicher Ausweg: Thriller (German Edition)
irgendwann. In all der Zeit, die wir jetzt schon zusammenarbeiteten, hatte sie das noch nie gesagt. Der Fall setzte ihr offenbar zu. Gut zu wissen, dass es nicht nur mir so ging. Ich erzählte ihr von dem Gespräch mit Dr. Spagnotti.
»Er kann sich also auch vorstellen, dass Lilah von Zack erpresst wurde, damit sie ihn heiratet?«, fragte Bailey.
»Ja.«
Bailey schwieg. Vermutlich war es nicht leicht, damit fertigzuwerden, dass ein Polizistenkollege so verdreht sein sollte. Stumm führten wir uns die Grausamkeit dieser ganzen Geschichte vor Augen.
Es war ein bizarres Duell, zwei Psychopathen gefangen in einer endlosen Schlacht zweier starker Willen. Godzilla trifft auf Mothra. Oder besser noch, Lizzie Borden, die Axtmörderin, trifft auf Hannibal Lecter. Ich stellte mir vor, wie Lilah morgens über ihren Cornflakes saß und ihr gegenüber der Mann, der den Schlüssel zu ihrem Ruin in der Hand hielt und auf sadistische Weise Gebrauch davon machte. Egal was sie tat, sie würde lebenslänglich eingesperrt sein. Sie konnte nur entscheiden, ob sie ihre Strafe mit Zack oder in einer Gefängniszelle verbüßen wollte.
»Ich hege übrigens keinerlei Zweifel daran, dass Zack die Beweise auch benutzt und sich selbst reingeritten hätte, falls Lilah ihn hätte verlassen wollen – aus purer Lust, sie zu zerstören.«
Bailey nickte. »Er war ein beschissener, kranker Bastard.«
Wieder verfielen wir in Schweigen. Das Rauschen des Verkehrs war ein vertrauter Kontrapunkt zu den finsteren, jenseitigen Enthüllungen. Wir hatten beschlossen, erst zu Johnnie Jaspers fantasievoller Behausung zu fahren. Da es Simons letzter bekannter Wohnsitz gewesen war, konnte es sein, dass er die Beweise dort versteckt hatte. Gegen halb zehn waren wir bei Johnnie, der in seinem Freiluftwohnzimmer saß, fernsah und etwas in der Hand hielt, das wie ein großer Pappbecher Starbucks-Kaffee aussah.
»Hallo, Johnnie«, rief ich durch den Zaun.
Er runzelte die Stirn und starrte uns an. Als er uns erkannte, riss er die Augen auf und sprang von seinem Stuhl auf.
»Sie müssen sofort verschwinden, Ladys!«, rief er erregt. »Ich meine es ernst. Gehen Sie. Sofort.«
»Was ist denn los?«, fragte Bailey.
»Was los ist?«, fragte er. »Nachdem Sie das letzte Mal hier waren, hat irgendjemand meine Unterkunft auf den Kopf gestellt! Ich war einkaufen, und als ich zurückkam, war alles durcheinander und kaputt – als wäre ein Tornado darüber hinweggefegt.«
Johnnie wippte auf den Zehen und klang wie eine frisch aufgespannte Gitarrensaite.
»Das tut mir sehr leid«, sagte ich. »Wir hatten ja keine Ahnung. Sind Sie sicher, dass es unsertwegen war?«
Johnnie schüttelte den Kopf und vibrierte auf einem etwas leiseren Level.
»Sicher bin ich mir nicht, Ma’am«, sagte er. »Und wenn ich falschliege, dann tut es mir leid. Davor hat sich aber noch nie jemand an meinem Haus vergriffen, und kaum spreche ich mit Ihnen, wird es verwüstet …«
»Ich verstehe«, sagte ich und griff in meine Handtasche. »Darf ich Ihnen den Schaden ersetzen?«
»Das können Sie gar nicht«, sagte er. »Das Zeug, das zerbrochen ist, war absolut einzigartig!«
»Aber der ganze Ärger? Ich könnte doch …«
»Nein«, sagte er entschieden. »Das Einzige, was Sie tun können, ist verschwinden. Ich will nicht noch mehr Ärger.« Er fuchtelte. »Gehen Sie. Bitte.«
Mit diesen Worten kehrte er zu seinem Sessel und seiner Fernsehshow zurück.
Wir gingen zum Wagen.
»Wenigstens hat er ›bitte‹ gesagt.«
Bailey blickte mich an und stieg ein. Ich stieg ebenfalls ein und legte den Sicherheitsgurt an.
»Wie sicher können wir uns sein, dass seine Unterkunft auf den Kopf gestellt wurde, weil wir ihm einen Besuch abgestattet haben?«, fragte ich.
»Auf einer Skala von eins bis zehn? Elf, würde ich sagen.«
»Wir säen Freude, wo immer wir auftauchen«, sagte ich.
Bailey schüttelte nur den Kopf.
Wir fuhren in Richtung Süden zum Freeway. Die schneebedeckten San Gabriel Mountains ruhten in der Ferne und vermittelten das beruhigende Gefühl, umschlossen und geschützt zu sein. Das war natürlich falsch. Die Berge schützten uns vor gar nichts.
Als wir vor dem Haus der Bayers vorfuhren, fummelte unsere alte Freundin Tracy Chernoff gerade an einer Düse der Rasensprenganlage herum. Eigentlich hatte ich erwartet, mittlerweile ein Verkaufsschild vor dem Haus zu sehen. Tracy trug dieselbe Nylonjacke wie damals, und ich hatte so das Gefühl, dass es die ihres Vaters war.
Ich
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