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Tödlicher Ausweg: Thriller (German Edition)

Tödlicher Ausweg: Thriller (German Edition)

Titel: Tödlicher Ausweg: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Clark
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Paket für mich abgegeben, und in Anbetracht der jüngsten Ereignisse hatte er es erst prüfen lassen. Der Scanner hatte allerdings nur eine Flasche mit einer unverdächtigen Flüssigkeit und ein Blatt Papier gezeigt. Keine gefährlichen Substanzen. Ich bat ihn, das Paket hochzuschicken.
    Ich zog meine Schuhe aus und ließ mich aufs Sofa fallen. Schien so, als hätte mir jemand eine Flasche Fusel geschickt. Wer war wohl die aufmerksame Seele? Daniel? Oder Graden? Vielleicht war es eine Wiedergutmachungsmaßnahme? Der Gedanke entlockte mir ein Lächeln, und ich lächelte immer noch, als ich dem Pagen das Paket abnahm.
    »Danke, Jason.« In meiner großmütigen Stimmung gab ich ihm fünf Dollar, trug das Paket dann zum Sofa und legte es auf den Couchtisch. Das Gewicht sagte mir, dass es etwas Größeres als eine Weinflasche enthalten musste.
    Mit Hilfe meines Autoschlüssels schlitzte ich das Paketband auf und schaute hinein. Eine große Flasche Russian Standard Platinum, mein Lieblingswodka. Der musste von Graden sein. Daniel wusste sicher nicht, dass dieses Getränk mittlerweile in meiner Gunst ganz oben stand. Mein Grinsen wurde noch breiter, als ich die Flasche aus der Kiste nahm. Dann sah ich, was darunterlag.
    Ein Foto von mir und Daniel, als wir vor Checkers standen, meine Hand an seiner Brust. Ein paar Sekunden starrte ich stumm auf das Bild, bis mich plötzlich die Erkenntnis überkam. Es war vor ein paar Wochen aufgenommen worden, als wir zusammen gegessen hatten.
    Was zum Teufel …
    Es war nur ein Foto, aber es strahlte etwas Bedrohliches aus. Ich betrachtete es, konnte mich aber nicht dazu überwinden, es anzufassen. Mir war nur allzu klar, wer es geschickt hatte.
    Lilah .
    In meiner Magengrube brannte auf einmal wilde Wut. Falls mir das Foto Schuldgefühle einflößen sollte, war der Versuch fehlgeschlagen. Verächtlich sah ich es an. Lilahs Botschaft war allerdings viel teuflischer. Das kleine »Geschenk« sollte mich meine Verletzlichkeit spüren lassen. Aber auch das tat es nicht. Alles, was ich spürte, war Zorn. Wäre Lilah in diesem Moment in der Tür aufgetaucht, hätte ich ihr mit bloßen Fäusten die Seele aus dem Leib geprügelt. Am liebsten hätte ich das ganze Paket aus dem Fenster geschmissen. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass sie oder ihre Handlanger Fingerabdrücke darauf hinterlassen hatten, musste ich es aber aufbewahren. Ich wickelte ein Handtuch um meine Hände und schob es ans andere Tischende. Ich würde es morgen mit Bailey ins kriminaltechnische Labor bringen.
    Als die erste Wut verraucht war, beschloss ich, die Meinung eines Experten einzuholen. Ich sah auf die Uhr. Es war zehn, aber für Dr. Bruno Spagnotti, meinen bevorzugten Gerichtspsychologen – beziehungsweise den »Verbrecher-Flüsterer«, wie ich ihn klammheimlich nannte –, war das noch früh am Abend. Dr. Spagnotti war ein kleiner Mann, hatte aber einen mächtigen Oberkörper, und mächtig war auch der Knall, wenn er explodierte. Er hatte eine laute Stimme, barsche Umgangsformen und den Ruf, aus dem Zeugenstand heraus derbe Standpauken zu erteilen, wenn man seine Zeit mit schwachsinnigen Fragen vergeudete. Jurys schienen an seinem Urteil nie zu zweifeln, was für beide Seiten ziemlich gut oder ziemlich schlimm sein konnte, je nachdem. Dr. Spagnotti war da absolut offen.
    Wir hatten uns bei einem Fall der Special Trials kennengelernt: ein Serienmörder, der ältere Damen vergewaltigt und dann angezündet hatte. Die Verteidigung hatte Dr. Spagnotti hinzugezogen, damit er die Jury davon überzeugte, dass die geistige Verwirrung, wenngleich auch nicht Unzurechnungsfähigkeit des Angeklagten ausreichte, um nicht von einer absichtsvollen Planung seiner Morde sprechen zu können. Dr. Spagnotti brauchte nur fünf Minuten, um diesen Ansatz zunichtezumachen. Mit einer Geduld, die er ausschließlich Jurymitgliedern entgegenbrachte, erläuterte er, dass die Verbrechen absichtsvoll geplant sein mussten. Die Opfer hatten alle ein ähnliches Alter und Aussehen, und der Täter wusste stets, dass sie allein zu Hause waren, wenn er zur Tat schritt. In weniger als einer Stunde fällte die Jury fünf Mordurteile.
    Da ich wusste, dass Dr. Spagnotti überflüssiges Gerede genauso hasste wie dumme Fragen, kam ich sofort zur Sache und erzählte ihm von dem Fall, von Zack, von Lilah und natürlich von dem Paket, das ich soeben erhalten hatte.
    »Zunächst einmal würde ich sagen, dass Ihre Erpressungstheorie, so ungewöhnlich sie klingen

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