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Tödlicher Ausweg: Thriller (German Edition)

Tödlicher Ausweg: Thriller (German Edition)

Titel: Tödlicher Ausweg: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Clark
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beschloss, ihr zu vergeben, dass sie mich nach meiner Begegnung mit dem mörderischen Briefkastenhahn nicht wirklich in Schutz genommen hatte.
    »Hallo, Tracy«, rief ich. »Wie geht’s?«
    Sie richtete sich auf und sah Bailey und mich an. Eine Sekunde später strahlte sie und kam mit ausgestreckter Hand auf uns zu. »Die Polizei. Mir geht es gut, und Ihnen?«
    Wir schüttelten ihr die Hand. Jetzt sah ich auch das Schild mit der Aufschrift zu verkaufen auf dem Boden neben dem Haus liegen.
    »Sie bieten das Haus zum Verkauf an?«
    »Seit gestern«, sagte sie. »Meine Eltern haben sich aber furchtbar aufgeregt, als sie das Schild gesehen haben, also habe ich es wieder weggenommen.«
    »Das tut mir leid«, sagte ich.
    Tracy seufzte und sah sich zum Haus um. Bei unserem ersten Gespräch hatte ich immer das Gefühl gehabt, dass sie uns irgendetwas verschwieg, und dasselbe Gefühl hatte ich auch jetzt. Ich versuchte, ihr eine Brücke zu bauen.
    »Hat Sie eigentlich irgendjemand angesprochen, als der Prozess wegen des Mordes an Zack lief?«, fragte ich.
    Tracy blickte auf ihre Füße hinab. »Nein. Ich habe ja nicht hier gewohnt, und eigentlich weiß ich auch gar nichts.«
    Das eigentlich bestärkte mich in meinem Gefühl. »Was denken Sie über Zack?«, fragte ich.
    Tracy sog die Wangen ein und schürzte die Lippen. Dann schaute sie in die Ferne, vergrub die Hände in den Taschen ihrer Jeans und beugte sich leicht vor. Wenn das nicht Körpersprache war.
    »Ich verspreche Ihnen, dass alles, was Sie sagen, unter uns bleibt.«
    Tracy atmete aus und nickte. Sie drehte dem Haus der Bayers den Rücken zu und sah beim Sprechen auf ihre Füße.
    »Zack und ich … Wir waren ständig zusammen, als wir klein waren«, sagte sie. »Er war mein bester Freund.« Sie blinzelte. »Und mein schlimmster Feind«, ergänzte sie dann leise, aber bestimmt. »Wir hatten viel Spaß, spielten Videospiele, fuhren Fahrrad, all diese Dinge … Und aus heiterem Himmel wurde er plötzlich … übergriffig.«
    »Übergriffig?«, fragte ich verblüfft. »Inwiefern?«
    »Ganz unterschiedlich«, sagte sie. »An das erste Mal erinnere ich mich noch am besten. Wir haben in dem leeren Haus gespielt – für uns war es natürlich das verwunschene Haus.«
    »So etwas gibt es in jeder Gegend«, sagte ich. »Wie alt waren Sie da?«
    Tracy neigte den Kopf und runzelte die Augenbrauen. »Fünf? Höchstens sechs. Wir waren gerade im ersten Zimmer, als er plötzlich weg war.«
    Ihre Panik war nach all diesen Jahren immer noch greifbar.
    »Ich hatte eine solche Angst, dass ich kaum Luft bekam«, sagte Tracy. »Ich stand einfach nur da und konnte mich nicht bewegen, eine endlose … nun ja, damals kam es mir wie Stunden vor. Wahrscheinlich waren es fünf Minuten oder so.«
    Ich stellte mir vor, wie sie da stand, klein, verängstigt, ganz allein in dem gruseligen Haus, in Erwartung von irgendetwas Schrecklichem. Diese Erfahrung konnte ich besser nachvollziehen, als Tracy ahnte.
    Sie nahm sich einen Moment, um sich zu sammeln, dann fuhr sie fort.
    »Plötzlich sprang er von irgendwo runter und schrie mit einer hohen, irren Stimme. Direkt hinter mir. Ich höre es immer noch.« Tracy schüttelte sich. »Ich schrie, aber als ich mich umdrehte, war er schon wieder weg. Plötzlich wollte ich nur noch raus aus dem Haus, aber als ich zur Tür lief, war sie abgeschlossen … Sie ging einfach nicht auf. Ich wusste nicht, was ich tun sollte, also rüttelte ich weiter an der Tür und trat dagegen, bekam sie aber nicht auf. Ob es eine Hintertür gab, wusste ich nicht, aber die Vorstellung, durchs ganze Haus rennen zu müssen, war noch furchtbarer. Ich schrie und hämmerte, bis meine Hand ganz blutig war. Ich hatte eine solche Angst, dass ich dachte, ich würde sterben. Und dann tippte mir plötzlich irgendetwas auf die Schulter.« Tracy machte eine Pause und sah zu Boden. »Das war zu viel, und ich … Ich habe mir in die Hose gemacht. Es war natürlich Zack, und er hatte alles mitbekommen.« Tracy hielt wieder inne und atmete tief ein. »Er drohte, allen zu erzählen, dass ich mich ›vollgepisst‹ hätte. Jahrelang hat er mich damit aufgezogen.«
    Sie seufzte schwer und schüttelte den Kopf bei der Erinnerung.
    »Hat er es je irgendjemandem erzählt?«
    »Nein. Aber er hat es mich nie vergessen lassen. Ich bin immer wieder zu ihm zurück, weil ich dachte, jetzt ist er sicher wieder nett … und das war er dann auch.« Sie machte eine Pause. »Bis zum nächsten Mal.«
    Tracy

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