Tödlicher Ausweg: Thriller (German Edition)
behalten und Hemet in die Schranken zu weisen. Sosehr ich Eric mochte, so wenig schätzte ich dieses Kompetenzgerangel auf Führungsebene. Es war doch das Allerletzte, dass es einer solchen Entwicklung bedurfte, damit ich meine Arbeit machen konnte. Ich schaute aus dem Fenster, um mich zu bremsen und meine Meinung runterzuschlucken. Vermutlich hatten Oberstaatsanwälte genau aus diesem Grund immer den schönsten Ausblick.
»Ich weiß, dass du stinksauer bist«, sagte er. »Und das kann ich auch verstehen. Andererseits bekommst du doch jetzt deinen Willen, oder?«
»Ja, schon.«
»Ende gut, alles gut, wie man so schön sagt.«
Da hatte er nicht ganz unrecht. Mein persönliches Motto lautete: Jag nie einem Fall hinterher, er könnte sich rächen. Auch diesem Fall war ich nicht hinterhergejagt, er war mir in den Schoß gefallen. Das Ergebnis wäre allerdings dasselbe, wenn ich die Sache verbocken würde. Eric wusste so gut wie ich, dass Hemet sofort zur Stelle wäre, um mit dem Finger auf mich zu zeigen.
»Da eine Verbindung zum Mord an Zack Bayer besteht, wird sich nun auch die Presse für den Fall interessieren. Wie sieht es denn mit deinen anderen Fällen aus?«, erkundigte sich Eric.
Ich zuckte mit den Schultern. »Das läuft schon.«
»Die Gestaltung deines Zeitplans überlasse ich natürlich dir. Solltest du aber Probleme bekommen, sei bitte so ehrlich, mir das mitzuteilen, dann kann ich den ein oder anderen Fall jemand anderem geben.«
Ich nickte in dem Bemühen, kooperativ zu erscheinen. Allerdings wusste ich nur zu gut, dass ich den Teufel tun würde, mir meine Fälle wegnehmen zu lassen. Erics Telefon klingelte, und ich nutzte die Ablenkung, um zu verschwinden.
In meinem Büro ging ich meinen Terminkalender durch. Ich hatte zehn Fälle, lag aber gut in der Zeit. Der Dezember war ziemlich übersichtlich, und zwar aus gutem Grund. Für Gerichtsverhandlungen mit einer Jury war es ein prekärer Monat, weil schwer abzuschätzen war, wozu die Festtagsmilde die Jurymitglieder bewegen konnte. Sie konnten Mitleid mit dem Angeklagten empfinden – was schlecht für die Anklage war – oder Mitleid mit dem Opfer, was schlecht für die Verteidigung war. Angesichts dieser Unwägbarkeiten – und auch der Ferienpläne der Anwälte – wurde im Dezember nicht viel gearbeitet. Danach verdichtete sich die Sache wieder. Da die Fälle der Special Trials stets gravierend waren und einen erheblichen Nachrichtenwert hatten, kam es selten vor, dass sich jemand ohne Gerichtsverhandlung schuldig bekannte. Hatte man also zehn Fälle zu betreuen, landeten für gewöhnlich auch zehn vor Gericht.
»Hallo, Fremde.« Ich sah auf. In der Tür stand eine Erscheinung, schön wie immer in ihrem schwarzen Gabardineanzug mit den goldenen Knöpfen und der cremeweißen Seidenbluse darunter.
»Toni! Wo warst du denn die ganze Zeit?«
Sie kam herein und setzte sich. »Wo ich die ganze Zeit war? Hier natürlich. Du bist es doch, die in der Versenkung verschwunden war. Kann man sich schon einen Drink genehmigen?« Sie blickte aus dem Fenster auf die Uhr am Times Building. »Erst halb drei? Wie kann das sein?«
»Verstehe.« Ich grinste. »Hast du heute Abend schon was vor?«
»Nein, Ma’am«, sagte sie. »Wir können also etwas unternehmen. So lange werde ich aber bestimmt nicht warten, um herauszufinden, was mit dir los ist. Ein Vögelchen hat mir gezwitschert, dass Hemet hinter deinem Hintern her ist. Die Gelegenheit lasse ich mir natürlich nicht entgehen, um dir unter die Nase zu reiben, dass ich das ja immer schon gesagt habe.«
»Hast du, in der Tat«, bekannte ich reumütig. Ich erzählte ihr, was in den letzten Tagen passiert war.
»Herber Schlag für Hemet, er dürfte begeistert sein«, stellte sie fest. »Du hast natürlich recht, der Fall ist interessant, aber er ist auch ein harter Brocken.« Trocken fügte sie hinzu: »Gott sei Dank stehst du nicht unter Druck.«
»Puh«, sagte ich beklommen. »Erinnere mich nicht daran. Gerade erst hat mir Eric einen Vortrag gehalten. Jetzt warte ich aber erst einmal auf das Videomaterial von der Bank und hoffe, dass irgendetwas dabei herausspringt.«
Toni nickte. »Madame geht die Sache also ganz locker an.« Sie warf mir einen ungläubigen Blick zu. »Du musst mir unbedingt verraten, was du geraucht hast.«
Ich lachte und schüttelte den Kopf. »Ein Mädchen darf doch wohl noch Träume haben, oder?«
»Unbedingt«, sagte sie und winkte lässig ab. »Hast du eigentlich von Scott
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